© dpa/Jörg Carstensen
Kinder besser schützen: Studie mahnt mehr Unfall- und Suizidprävention an
Kommen Kinder und Jugendliche durch Gewalt zu Tode, muss man genau hinsehen. Ein Team von Medizinern kam bei einer Analyse von Autopsieberichten aus Berlin zu beunruhigenden Schlüssen.
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Die gute Nachricht vorweg: Obwohl Kinder häufiger stürzen oder sich durch Unachtsamkeit Blessuren zuziehen als Erwachsene, sind lebensbedrohliche Verletzungen bei den Heranwachsenden selten. Gegenüber den Älteren haben sie selbst bei schweren Verwundungen auch höhere Überlebenschancen.
Und doch kommt es immer wieder auch zu Todesfällen bei Kindern und Jugendlichen. Ein Team der Uniklinik Schleswig-Holstein und des Asklepios-Klinikums Harburg untersuchte 71 Obduktionsberichte der Charité, bei denen „mechanisches Trauma“ an jungen Berlinern unter 18 Jahren zum Tode führte. Solche Gewalteinwirkung ist der Hauptgrund für den Tod von jungen Menschen, etwa durch Stürze, Schnitte, Schläge oder Kollisionen.
Eine solche Analyse kann Medizinern helfen, Patienten durch „Trauma-Management“ vor Ankunft in einer Klinik zu versorgen und damit ihre Überlebenschancen zu steigern. In den Ergebnissen, die nun im Fachblatt „Forensic Science, Medicine and Pathology“ erschienen, zeigen sich allerdings auch Muster, aus denen sich Aufträge für die Politik herauslesen lassen.
Die Aussagekraft der Studie sei aber begrenzt, schränken die Autoren ein. Nicht alle Fälle von tödlichen Traumata würden anschließend durch eine rechtsmedizinische Obduktion untersucht, oft genüge die äußere Leichenschau durch den Arzt.
Gewalt gegen Kinder
Und so kommt es vermutlich auch zu dem Studienbefund, dass „durch Dritte zugefügte Gewalt“ für ein Viertel der untersuchten Todesfälle bei Kindern unter 13 Jahren verantwortlich war, was die Autoren überraschte. So starben sieben der Kinder durch die Folgen von Schlägen, zwei weitere durch andere Gewalttaten.
„Gewalt gegen Kinder zu erkennen und verhindern, bleibt eine große Herausforderung“, resümieren die Autoren. Die Häufigkeit werde weltweit stark unterschätzt. Die untersuchten Fälle überspannten die Jahre von 2008 bis 2018, ein Zeitraum also noch vor der Pandemie. Erst im letzten Jahr meldeten Statistiker einen Höchststand bei Kindeswohlgefährdungen. Zur Zeit der Corona-Pandemie sei es zu einem Anstieg von Gewalt gegen Kinder gekommen.
Gefahr auf Berlins Straßen
Auffällig in der Studie ist eine weitere Zahl: 40 Prozent der Fälle gehen auf Unfälle im Straßenverkehr zurück, die Hälfte dieser Opfer war als Fußgänger unterwegs. Das Risiko steige mit dem Alter signifikant, wie es in der Studie heißt, die Daten sprechen also gegen das Horrorszenario vom ahnungslos in den Verkehr laufenden Kleinkind.
Der Grund für den Befund sei, dass Jugendliche stärker aktiv am Straßenverkehr teilnähmen als jüngere Kinder, schreibt das Autorenteam. Verkehrsunfälle seien weltweit die Hauptursache für gewaltsame Verletzungen und den Tod bei Kindern.
Suizidgefährdete Jugendliche
Jugendliche seien zudem durch Suizide gefährdet: In der Altersgruppe ab 14 Jahren wäre demnach bei 40 Prozent der Berichte eine Absicht erkennbar gewesen, sich das Leben zu nehmen. Das passt ins Bild anderer Studien: „Tödliche, selbst zugefügte Verletzungen gehören zu den häufigsten Todesursachen bei jungen Menschen“, heißt es in dem Aufsatz.
Mit zunehmendem Alter und insbesondere unter Jungen würden die Suizidraten ansteigen. Männliche Heranwachsende würden sich häufiger für einen gewaltvollen Tod entscheiden, was erklären könnte, weshalb sie in der Studie so stark überrepräsentiert seien.
Sowieso erfasste die Studie vor allem männliche Jugendliche. So war mehr als die Hälfte der untersuchten Todesfälle zwischen 14 und 18 Jahren alt, bei mehr als 80 Prozent davon handelte es sich um Jungen beziehungsweise junge Männer. Die Autoren erklären dies auch mit Änderungen im Verhalten – etwa, dass die Risikobereitschaft bei männlichen Jugendlichen mit der Zeit steige.
In jedem Fall sehen die Forschenden Anlass zum Handeln: „Die Häufigkeit von tödlichen Verkehrsunfällen und Suiziden zeigt die Notwendigkeit, die Unfall- und Suizidprävention für Kinder und Jugendliche zu verbessern.“
Verkehrssicherheit ist ein wiederholtes Thema öffentlicher Debatten, aber Hilfsangebote zur Suizidvorbeugung sind oft überlastet. Mit dem Nationalen Suizidpräventionsprogramm soll die Vorbeugung aber bald verbessert werden.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de