© Eric Tschernow
Leuchtende Zellen : Hitomi Uchikura zaubert mit Papier
Ruhe und Dynamik: Die japanische Künstlerin Hitomi Uchikura macht aus der Berliner Galerie Semjon Contemporary einen Raum voller gegensätzlicher Erfahrungen.
Von Lisa Maria Scharf
Wer über die japanische Lebensweise philosophiert, wird sich wahrscheinlich in Erzählungen von atemberaubender Natur, spiritueller Nähe und meditativen Teezeremonien verlieren.
Der sogenannte „Ikigata“, übersetzt Lebensweg, zielt auf die Dankbarkeit für das Wesentliche und lädt dazu ein, zur Ruhe zu kommen. Wer eine solche Entschleunigung braucht, ist vor den Werken von Hitomi Uchikura gut aufgehoben.
Hitomi Uchikura wurde 1956 in Kagoshima geboren und lebt und arbeitet in der Stadt Nasu. Ihre Werke zeichnen sich durch ein exzellentes Handwerk aus, welches in der Verarbeitung der Materialien deutlich wird. Sie verleiht Papier eine kraftvolle Tiefe, platziert Leder wie eine zweite Haut und spiegelt Kameralinsen in sich selbst.
Kraterlandschaften
In der Berliner Galerie Semjon Contemporary zeigt sie zum zweiten Mal ihre „Lumière & Bright Cells“, die trotz der visuellen Vielfalt den Ausstellungsraum in eine Oase der Ruhe verwandeln. Uchikuras „Lumière“ kleiden eine Wand des Raumes ein. Die Papiergebilde hängen von der Decke und erinnern an Vorhänge. Blickdicht sind sie aber nicht, zwischen den plastisch verformten Kratern strahlt künstliches Licht durch kleine Hohlräume.
Die Krater werden durch individuelle Krafteinwirkung erstellt und folgend keinem vorgefertigten Konzept, sie entstehen ungeplant und sind unregelmäßig. Die Erstellung des Krater-Clusters ist ein langwieriger Prozess. Das Bossieren des Papiers gelingt nur mit starkem Energieaufwand, dennoch versetzt der Anblick jener Arbeiten den Betrachter in einen tiefen Zustand von Ruhe. Dynamische und statische Motive sind im Einklang und kreieren einen paradoxen Moment.
Unendlichkeit in Hermès-Leder
Ergänzt wird die Mondlandschaft der „Lumière“ durch kleine, raumschiffartige Kugeln, den „Bright Cells“. Aus der Ferne glitzern sie wie Kristalle, kommt man etwas näher, schaut man in einen kleinen Infinity-Room.
Uchikura fertigt die „Bright Cells“ in einer Gussform und legt diese mit kleinen Spiegelfragmenten aus, anschließend werden Löcher hineingeschnitten und mit Kameralinsen abgedeckt. Das Ergebnis ist ein Raum voll unzähliger Spiegelreflexionen. Ummantelt werden die Zellen mit Papier oder dem Ziegenleder alter Hermès-Taschen.
Die Werke sind erneut abhängig von der Einwirkung des Lichts. Die Zellen können durch ihre Plastizität allein nicht die passende Ausdruckskraft finden, sie benötigen zu ihrer Entfaltung eine Lichtquelle, die sie mit Energie auflädt. Durch die immer wechselnde Umgebung werden sie zum Spiegel des Moments. Der Käufer einer „Bright Cell“ sollte diese in einem schönen sonnigen Wohnzimmer platzieren, empfiehlt die Künstlerin.
Hitomi Uchikura vereint in ihrem Werk vermeintliche Gegensätze zu einem großen Ganzen. Das kräftezehrende Handwerk der Herstellung wird im Endprodukt transformiert, man betritt einen Ort meditativer Ruhe. Hitomi Uchikura empfiehlt ihn jedem, der in den Räumen von Semjon Contemporary nach einer Pause vom Alltag sucht – egal ob mit Papiertasche oder Birkin Bag.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de