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Öffentlich-Rechtliche am Wahlabend : Der richtige Umgang mit der AfD bleibt eine offene Frage
Die ARD war bei der Berichterstattung zur Landtagswahl in Brandenburg besser in der Analyse, das ZDF war besser bei den Zahlen – Probleme mit den Rechtsextremen haben sie beide.
Ein Kommentar von
Die AfD, diese Partei der Patzigen und der Rechtsextremen, hat eine merkwürdige Qualität: Sie boostert die Politik. Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen war auch der Wahlgang in Brandenburg von diesem Phänomen geprägt. Die Wahlbeteiligung auf Rekordniveau, die SPD im plötzlichen Höhenflug, Ministerpräsident Dietmar Woidke konnte mit seiner „Erpressung“ – Wählt mich oder ich gehe – seine Partei an die Spitze bringen und die AfD auf den zweiten Platz verweisen.
Erleichterung allerorten
Erleichterung bei den demokratischen Parteien, Erleichterung in den Wahlstudios von ARD, ZDF und RBB. Wie auch anders: Woidke sprach davon, dass es wieder die Sozialdemokraten waren, die Extremisten auf dem Weg zur Macht gestoppt hätten, während AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt von den Erfolgen der „nationalen Front“ fabulierte.
Und natürlich wieder der Vorwurf an die öffentlich-rechtlichen Sender: die AfD-Vorsitzende Alice Weidel sah erneut eine „mediale Kampagne“ gegen ihre Partei, Berndt monierte „medialen Druck“. Der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland nannte Berndt später „einen vernünftigen Politiker“.
Die AfD muss aufregen, aber muss sie auch erfahrene Journalisten so emotionalisieren, wie sie selber emotionalisiert? Sascha Hingst, der ansonsten aufgeweckt und passgenau den Wahlabend bei ARD und RBB moderierte, kam im Gespräch mit Berndt und Gauland in einen Aufregungsgrad, der keine Erkenntnisse zutage förderte, sondern ins Bekenntnishafte abglitt. Die medial richtige Umgangsweise mit der AfD bleibt auch nach der Brandenburg-Wahl eine offene Frage.
Die Plänkeleien mit der AfD waren allerdings nur Momente, Hingst, Jörg Schönenborn, der neben Zahlentableaus Erklärhilfen für das Wählerverhalten bot, RBB-Moderator Dirk Platt wie auch die Reporter des RBB, verteilt über Wahlpartys und über Brandenburg, haben mit ihrer vertieften Kenntnis der Mark dem Fernsehpublikum eine erhellende wie umfassende Analyse der Wahl geliefert.
Es hat sich, wie schon bei den Wahlen in Sachsen und Thüringen, als Vorteil erwiesen, dass die ARD mit ihren Landesanstalten bei Landtagswahlen näher dran ist als das nationale ZDF. Dessen Chefredakteurin Bettina Schausten arbeitet natürlich kompetent, ob sie in Dresden oder in Potsdam den Wahlabend moderiert, gleichwohl kann die Journalistin aus Mainz echte Nähe zum jeweiligen Geschehen nur schwer aufbringen. Und im Unterschied zur ARD und hier zum RBB schielt das Zweite immer schneller auf die bundespolitischen Konsequenzen einer Landtagswahl.
Erstaunlich war wieder, wie unterschiedlich ARD und ZDF bei Prognosen und Hochrechnungen unterwegs waren, egal, ob es um den Abstand zwischen SPD und AfD ging oder um die essenzielle Frage, ob es die Grünen tatsächlich in den neuen Brandenburger Landtag schaffen. Würde den Sendern wirklich ein Zacken aus der Krone brechen, wenn sie neben den eigenen Zahlen jeweils die der Konkurrenz ins Laufband des Konkurrenten einfügen würden? So ist der Zuschauer andauernd und unnötigerweise zum Zappen gezwungen. Auch das gilt es zu vermerken: Das Zweite war bei den Prozentwerten für die Grünen näher an der Realität als das Erste. Sollte die ARD zum Nachdenken bringen.
Von der Wahl zu Wahl wechseln sich die Sender mit der „Berliner Runde“ ab. Dieses Mal saßen sieben Vertreter und eine Vertreterin aus Generalsekretariat oder parlamentarischer Geschäftsführung rund um Moderator Markus Preiß im Ersten. Das Ergebnis waren Wahlkampf, Zukunftsorakel zum Fortbestand der Ampel-Bundesregierung und Schmutzeleien mit AfD-Mann Bernd Baumann. Wer kann in diesem Format einen wirklichen Mehrwert für das Publikum erkennen? Schätze mal, ARD und ZDF wollen sich nur beweisen, wie viele Menschen sie in einem Studio unterbringen können.
Einen Wahlabend abzubinden, kann auf verschiedene Weise geschehen. Die ARD versuchte es mit „Caren Miosga“. Die Moderatorin hatte Ex-Bundespräsident Joachim Gauck, die Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach und den Soziologen Steffen Mau zu Gast und sich die große Frage „Nach den Wahlen: Was wird aus Deutschland, Herr Gauck?“ zum Thema genommen.
Joachim Gauck, ehemaliger Bundespräsident, war Gast bei „Caren Miosga“.
© dpa/Michael Bahlo
Gauck forderte eine politisch nachhaltige Arbeit am „Sorgenhaushalt“ der Ostdeutschen, laut Mau vermissten junge Männer „Anerkennungszusammenhänge“ – die Ostdeutschen wurden auf die Analysecouch gelegt. In den 60 Minuten gab es intellektuell aufblitzende Sentenzen, zuspitzende Rhetorik, zugleich dominierte eine seminaristische Herangehensweise. Ob sich darin AfD-Wähler wiederfanden, sich überhaupt dafür interessieren konnten? Zweifel, große Zweifel.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de