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Prozess um Wirecard-Skandal: „Das ist wie das Attentat auf Trump, man kann sich das nicht erklären“

Prozess um Wirecard-Skandal: „Das ist wie das Attentat auf Trump, man kann sich das nicht erklären“

© dpa/Sven Hoppe

Prozess um Wirecard-Skandal: „Das ist wie das Attentat auf Trump, man kann sich das nicht erklären“

Ex-Chefbuchhalter Stephan von Erffa spricht am zweiten Tag seiner Einlassung auch über falsche Saldenbestätigungen. Doch der Richter zweifelt an seinen Schilderungen.

Von

  • Michael Verfürden
  • Lars-Marten Nagel
  • René Bender

Im Münchener Strafprozess um den Wirecard-Skandal hat der Ex-Chefbuchhalter des Finanzdienstleisters Stephan von Erffa am Donnerstag seine Sicht auf zentrale Vorwürfe gegen ihn geschildert. Der 49-Jährige bestritt dabei, von einem Betrug gewusst zu haben. In manchen Punkten, so von Erffa, sei er aber wohl „zu gutgläubig oder zu naiv“ gewesen.

Es war der zweite Tag der mit Spannung erwarteten Einlassung des Ex-Chefbuchhalters. Von Erffa hatte sich zuvor eineinhalb Jahre lang zu den Vorwürfen ausgeschwiegen. Seit Mittwoch verliest er eine etwa 200 Seiten lange Erklärung und schiebt dabei die Verantwortung weitgehend von sich. Von Erffa warf anderen Managern am Donnerstag vor, ihn in eine Falle gelockt zu haben.

So habe der flüchtige Ex-Vorstand Jan Marsalek ihn als sein Vorgesetzter damit beauftragt, von Wirtschaftsprüfern verlangte Unterlagen nachzuerstellen. Er habe das als eine Anordnung und „klare Erwartung seitens Marsaleks“ verstanden, sagte von Erffa. Der mitangeklagte frühere Dubai-Statthalter des Konzerns, Oliver Bellenhaus, habe ihm dabei geholfen, dies technisch umzusetzen.

„Warum sind Sie nicht hellhörig geworden?“

„Heute denke ich, dass es eventuell eine Falle von Marsalek und Bellenhaus gewesen sein könnte, mich mit dieser Aufgabe zu betrauen“, sagte von Erffa.

Ich war da nicht im luftleeren Raum.

Ex-Chefbuchhalter Stephan von Erffa

Marsalek und Bellenhaus seien technisch versierter gewesen. Außerdem könne er sich nicht erklären, warum im Postfach der eigens für die nacherstellten Dokumente angelegten Mailadresse heute nur noch seine Mails übrig seien – während „alles andere komplett und gründlich gelöscht“ worden sei.

Für Diskussionen mit Richter Födisch sorgten von Erffas Schilderungen in Zusammenhang mit fehlerhaften Saldenbestätigungen 2017. Damals hatten nach der Darstellung des Ex-Chefbuchhalters zunächst 35 Millionen Euro gefehlt, was nach einem Hinweis von ihm zwar korrigiert worden sei – aber ohne Erklärung.

Richter Födisch sagte, von Erffa hätte damals einen Verdacht schöpfen und nachhaken müssen. 35 Millionen Euro seien für Wirecard zu dieser Zeit viel Geld gewesen, hätten sogar einen Großteil der Liquidität dargestellt. Födisch in Richtung von Erffas: „Warum sind Sie da nicht hellhörig geworden?“

Von Erffa sagte, er sei einfach von einem Fehler wegen einer Rückbuchung ausgegangen, der dann korrigiert worden sei. Das sei für ihn eine „runde Geschichte“ gewesen. Andere erfahrene und kritische Mitarbeiter hätten auch keinen Verdacht geschöpft. „Ich war da nicht im luftleeren Raum“, sagte der Ex-Chefbuchhalter.

Födisch gab sich mit den Erklärungsversuchen von Erffas jedoch nicht zufrieden. „Eine Unrichtigkeit von 35 Millionen – da würde ich doch mal nachfragen: Was ist da passiert?“, sagte der Richter. Er gebe von Erffa nun die Chance zu erklären, „was wir nicht verstehen“. Von Erffa: „Das ist wie das Attentat auf Trump, man kann sich das nicht erklären.“

Von Erffa muss sich zusammen mit Bellenhaus und Wirecards früherem Vorstandschef Markus Braun seit Dezember 2022 vor dem Landgericht München verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Trio unter anderem bandenmäßigen Betrug vor. Von Erffa soll konkret dafür gesorgt haben, dass gefälschte Zahlen in die Bücher gelangten. Der Chefbuchhalter des Konzerns soll dabei auch nicht davor zurückgeschreckt sein, Dokumente zu fälschen.

Die Anklage stützt sich unter anderem auf ein Geständnis von Bellenhaus. Braun sieht sich genauso wie von Erffa als ein Opfer von Marsalek und Bellenhaus.

Wirecard war im Juni 2020 zusammengebrochen, nachdem ein angebliches Milliardenvermögen des Dax-Konzerns auf Treuhandkonten plötzlich nicht mehr auffindbar war. Das Geld sollte aus dem sogenannten Drittpartnergeschäft stammen, das Wirecard angeblich vor allem in Asien für Kunden aus der Porno- und Glücksspielbranche betrieb. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass es dieses Geschäft nicht gab.

Das Gericht hatte zunächst zwei Tage für die Einlassung von Erffas eingeplant. Am Donnerstagmittag sah es jedoch so aus, als würde er seine Erklärung am Montag weiter vortragen müssen. Richter Födisch hatte dem Manager zuvor deutlich gemacht, dass er mit einem Geständnis noch etwas bewirken könne. Die Haftstrafe könne dann zwischen sechs und acht Jahren liegen.

Dieser Text erschien zuerst beim Handelsblatt.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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