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„Ich würde auf meinen Erfolg gerne verzichten“: Wie Chinas Olympiasieger in ihrer Heimat bedrängt werden

„Ich würde auf meinen Erfolg gerne verzichten“: Wie Chinas Olympiasieger in ihrer Heimat bedrängt werden

© IMAGO/VCG

„Ich würde auf meinen Erfolg gerne verzichten“: Wie Chinas Olympiasieger in ihrer Heimat bedrängt werden

Chinas Olympiahelden können sich nur kurz freuen. In ihrer Heimat werden sie verfolgt und belagert. Der Fankult ist außer Kontrolle geraten.

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Es regnet kübelweise, viele Menschen suchen Zuflucht unter einem kleinen Pavillon. Doch die wenigsten schaffen es darunter. Es sind einfach zu viele Leute auf den Straßen. Die Bilder aus dem Dorf Maihe in der südchinesischen Provinz Guangdong gingen in den vergangenen Tagen um die Welt.

Maihe ist zur Pilgerstätte geworden, nachdem Quan Hongchan im Wasserspringen gleich zwei Goldmedaillen bei den Olympischen Spielen in Paris gewonnen hat. Quan Hongchan stammt aus dem Dorf, das jetzt von Tausenden Menschen belagert wird. Überall sind Verkaufsstände; Fans mit Bannern, auf denen Quan groß abgebildet ist, werden in den Händen gehalten. Vor dem größten Banner versammeln sich Leute und machen Selfies.

Quan Hongchan ist 17 Jahre alt, sie wirkt wie ein kleines Mädchen. Sportlich ist sie ein großes Ereignis. Keine andere Frau schlägt so schöne, so schnelle und so punktgenaue Salti wie sie. Während in vielen anderen Ländern Wasserspringen eine Randsportart ist, werden die Sportler in China verehrt. Quan ist in China eine Art Superheldin.

„Ich würde auf meinen Erfolg gerne verzichten“: Wie Chinas Olympiasieger in ihrer Heimat bedrängt werden

Pan Zhanle konnte bei seiner Ankunft zumindest für ein paar Momente unerkannt bleiben.

© IMAGO/VCG

Die Huldigung allerdings gestaltet sich derart ausschweifend, dass sie zu einer Bedrohung geworden ist. Quans Mutter teilte in dieser Woche mit, dass sie es nicht zulasse, dass ihre Tochter nach Hause komme. Sicher hätte sie gerne mit ihr zu Hause den Erfolg gefeiert. Doch unter den Umständen ging es nicht.

Schon bei ihrer Ankunft in Peking war Quan von vielen Fans bedrängt worden. Sie drückten ihr Blumen und vieles mehr in die Hände. Die Bilder zeigten eine sehr eingeschüchterte junge Frau.

Die Begeisterung der Chinesen um die Olympia-Helden ist groß, sie ist viel zu groß. Das bekommt nicht nur Quan Hongchan zu spüren.

Einer der Stars der Spiele in Paris war Pan Zhanle. Der 20-Jährige gewann zweimal Gold, einmal Silber. Über 100 Meter Freistil schlug er sogar in Weltrekordzeit (46,20 Sekunden) an. Inzwischen scheint er seine Glanztaten zu bereuen. „Ich würde auf meinen Erfolg gerne verzichten, wenn das bedeuten würde, dass ich zu einem ruhigen Leben zurückkehren könnte“, sagte er jüngst dem staatlichen Rundfunksender Chinas.

Doch erst einmal scheint das nicht möglich. Seine Accounts auf Social Media löschte er. Aber das nützt nichts. Die Chinesen kommen gerne persönlich bei ihren Helden vorbei.

 Ich kann nie für mich sein. Auch in diesem Moment nicht, in dem ich mit Ihnen spreche. 

Pan Zhanle, chinesischer Olympiasieger im Schwimmen

In Paris war Pan Zhanle ein gehetzter junger Mann. „Ich kann nie für mich sein“, sagte er chinesischen Medien während Olympia. „Auch in diesem Moment nicht, in dem ich mit Ihnen spreche. Direkt im Erdgeschoss befinden sich etliche Fans, die ein Autogramm von mir haben wollen.“

In China verwandelt sich Erfolg schnell zu einer Bürde. Die Anbetung von Stars hat sich zu einem echten Problem entwickelt. Von toxischer Fankultur ist die Rede. Fans konsumieren alles ihrer Lieblinge, unterstützen sie, wo es nur geht – und versuchen ihre Gegenspieler zu diskreditieren.

Auch das war bei Olympia zu beobachten. Beim Tischtennisfinale der Frauen zwischen Sun Yingsha und der späteren Siegerin Chen Meng gab es immer wieder Buhrufe, von beiden Seiten. Schlimmer aber noch als vor Ort war das, was sich online abspielte. Die jeweiligen Anhängerschaften lieferten sich dort einen Schlagabtausch, verbreiteten Unwahrheiten über die beiden Spielerinnen. Das ging so weit, dass laut „New York Times“ die Pekinger Polizei zwei Frauen wegen Verleumdung festnahm.

Die Anbetung von Stars ist in China zu einer Ersatzreligion geworden. Wie sie entstanden ist? Laut Zhang Nan, ein Ökonom an der Renmin-Universität in Peking, habe Chinas rasende wirtschaftliche Entwicklung und Urbanisierung eine „neue Generation atomisierter Individuen“ hervorgebracht. „Im Internetzeitalter“, schrieb er in der Parteizeitung „Global Times“, erlaube ihnen die Fankultur, „die Leere zu füllen“.

Die Leidtragenden sind auch die Athletinnen und Athleten aus China. Was ist schon eine Goldmedaille im Vergleich zu einem Leben ohne Belagerung und Verfolgung? Das fragen sich nun vermutlich Athleten wie Quan Hongchan und Pan Zhanle, die ihr ganzes Leben dem sportlichen Erfolg untergeordnet haben.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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