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Läuft bei ihnen: Berliner Running-Influencer erzählen, was sie antreibt

Läuft bei ihnen: Berliner Running-Influencer erzählen, was sie antreibt

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Läuft bei ihnen: Berliner Running-Influencer erzählen, was sie antreibt

Die Welt dreht sich im Laufschritt, nicht nur um den Marathon herum. Doch woher kommt der „Running“-Trend – und was haben die Influencer in den sozialen Medien damit zu tun?

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Laufen ist cool, wer hätte das gedacht. Ein eigentlich so unprätentiöser Sport hält eine hippe, jugendlich-motivierte Großstadtklientel nicht nur sprichwörtlich in Atem. Ihr futuristisch anmutendes Schuhwerk hat den Alltag erreicht, und von immer mehr Werbeplakaten lächeln hübsche Gesichter hinter neonfarbenen Sonnenbrillen herunter.

Wer innehält vor diesen großformatigen Zeitdokumenten, muss aufpassen, nicht von ähnlich ausgestatteten Gruppen aus Fleisch und Blut und atmungsaktivem Polyester über den Haufen gerannt zu werden.

Es könnte natürlich sein, dass das mit dem kürzlich über die Bühne gegangenen 50. Berlin Marathon zusammenhängt – da waren auch Menschen aus dem Häuschen, die sonst eher heimlich das Fitnessstudio besuchen – es könnte aber ebenso gut sein, dass sich hier penetrante Ästhetik und anhaltender Hype durchgesetzt haben.

Anzeichen dafür findet man im Digitalen, denn nicht nur in der analogen Welt wird der Bewegungsmuffel mit energetischen Sportskanonen konfrontiert: Ähnlich wie in den 80er-Jahren Jane Fonda mit ihrem Aerobic, versuchen heute zahllose Personen, über die sozialen Medien ihre Gefolgschaft zum Laufen zu treiben.

Eine von ihnen ist die Berlinerin Joyce Hübner, auf Instagram und TikTok bekannt als „runnninggirl. joyce“. Rund 300.000 Menschen verfolgen ihren vor sich hineilenden Alltag. Ein Blick auf ihre Kanäle verrät: Laufen ist aufregend, Laufen ist schön, Laufen macht dich zu einem rundum glücklichen und gesunden Menschen.

Hübner ist Lauf-Influencerin und macht daraus keinen Hehl: „Ich bin in der glücklichen Situation, dass ich das meinen Beruf nennen kann“, sagt sie im Gespräch und strahlt vor Freude. Ein ausgefeilter Businessplan steckte aber nicht dahinter: Zunächst wollte sie abnehmen und fing dafür 2016 das Laufen an, absolvierte ihren ersten Marathon. Blieb dabei. Bei Instagram meldete sie sich erst drei Jahre später an – um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen.

Gegen Einsamkeit laufen in der „Community“

Heute, viele Marathons später – die Handykamera immer dabei –, hat sie ein Buch geschrieben, gibt Lesungen, vermittelt Laufreisen und teilt mit ihrer Gefolgschaft Werbung insbesondere über laufrelevante Produkte. Produkte, von denen sie aber auch wirklich persönlich überzeugt ist. Das könne sie sich zum Glück leisten.

Grundsätzlich ernster, aber nicht minder engagiert präsentiert sich Andi Goceva, „The_andi_g“ oder auch „Just Andi“. Sie bezeichnet sich aber auch nicht als klassische Influencerin, sondern als Personal Trainerin und „Rehab-Coach“. Immerhin, in ihrer Jugend betrieb sie modernen Fünfkampf. Und trotzdem, auch sie beeinflusst die „Sport-Bubble“ auf ihre Art, einerseits im direkten Training mit Klienten, andererseits indem sie auf ihrem Insta-Kanal Tipps und ganz viel dramaturgisch-aufgebaute Sportinhalte mit knapp 6000 Followern teilt. Auch Goceva filmt sich, wie sie in schicker Ausrüstung durch wunderschöne Landschaften in entfernten Ländern rennt – als gäbe es nichts Natürlicheres auf der Welt. Und wie bei Hübner prangt auch bei ihr der Name eines großen Sportartikelherstellers in Form eines Links prominent im Instagram-Profil.

Auf die Frage, wie und ob die offensichtliche Kommerzialisierung den Hype beeinflusst, räumt sie einerseits ein, dass der Markt einem etwa suggeriere, man brauche fürs Laufen viel teures Equipment. Und widerspricht dem andererseits inhaltlich: „Man kann überall laufen gehen, man braucht nur ein Paar Schuhe.“

Run-Clubs stellen eine Möglichkeit dar, Leute kennenzulernen und Freundschaften oder auch Partnerschaften zu schließen.

Andi Goceva, Personal Trainerin und „Rehab-Coach“

Es scheint die allgemein gepriesene Niedrigschwelligkeit dieses Sports zu sein, die seine Faszination im Wesentlichen ausmacht. Die vermeintlich einfache Erfüllung des Versprechens, „was die können, so wie die aussehen – das kann ich auch“. Dem folgt die Vermittlung eines gewissen Gemeinschaftsgefühls, der immer wiederkehrende Glücksmoment im kollektiv erlebten Erfolg. Glaubt man den online prominenten Akteuren, ist Laufen jedenfalls etwas, was am besten in der „Community“ erlebt wird.

Der Hobbyläufer und Marathonabsolvent Tithey Schulz (auf Instagram teilt er mit über 7000 Menschen seine sportlichen Erfolge), beschreibt das wie folgt: „Generell glaube ich, dass sich viele Menschen trotz der Konnektivität durch Social Media einsam fühlen, und Laufen mit anderen kann einem das Gefühl von Zugehörigkeit geben.“

Und auch Andi Goceva denkt, dass ein in vielen Großstädten kursierendes Gefühl der Einsamkeit den Hype beflügelt: „Run-Clubs stellen eine Möglichkeit dar, Leute kennenzulernen und Freundschaften oder auch Partnerschaften zu schließen, denn in der Regel gibt es wöchentliche Runs um eine bestimmte Uhrzeit.“

Einer dieser Clubs, der den schönen Namen „Joy Run Collective“ heißt, wurde von Thi Minh Huyen Nguyen mit dem Anliegen gegründet, migrantische, queere, FLINTA*-Perspektiven in den Lauftrend zu integrieren. Nach der Devise, wo der kaufkräftige Mainstream dem Hype frönt, ist die soziale Exklusivität nicht weit. Denn laut Nguyen zeigt sich das Hobby als sehr weiß, heteronormativ und männlich dominiert. Sie selbst verdient kein Geld damit; Die studierte Medienwissenschaftlerin arbeitet als freie Autorin. Ihre Crew hingegen wird von einem der großen Sportartikelhersteller gesponsert – sie nutze die bestehenden finanziellen Ressourcen und gebe sie an ihre Läufer zurück.

Auch wenn ihr Anliegen von der Kommerzialisierung profitiere, sehe sie das nicht nur positiv. Durch den auch durch Social Media gepushten Hype entstünden auch Laufgruppen, die als Agentur oder Firma funktionieren. Dem stehe sie kritisch gegenüber, sagt Nguyen: „Es ist nicht durchschaubar, ob es da noch um den Community-Gedanken, um die Menschen oder nur um das Geschäft geht.“

Der Hype und der Kommerz werden bleiben

Dabei sei der Markt aber nur auf etwas aufgesprungen, was es schon viel früher gab. Nguyen ist mit den „Bridgerunners“ befreundet, einer 2003 in New York gegründeten Laufgruppe, die sich selbst als Mitbegründer der „Run-Crew-Culture“ beschreibt. Damals ging es darum, dass sich Menschen unterschiedlichster gesellschaftlicher Herkunft zum Laufen trafen, ohne höhere Ziele und ohne sich von Firmen finanzieren zu lassen. „Heutzutage heißt ‚Influencer‘, dass jemand aus seinem digitalen Auftritt Geld generiert. Das war wenigstens beim Laufen zunächst nicht die Motivation“, erklärt Nguyen.

Die sozialen Medien hätten den Leuten aber früh dabei geholfen, sich untereinander zu vernetzen – und natürlich ließen sich Menschen durch andere Menschen inspirieren. „Beispielsweise sprach mich mal eine fremde Frau in Schanghai an“, erzählt Nguyen, „sie sagte mir, dass sie durch den Instagram-Auftritt meiner Laufgruppe sich als lesbische chinesische Frau in Schanghai so empowert gefühlt hat, dass sie ihre eigene queere Laufgruppe gegründet hat.“

Der Hype und damit dessen kommerzielle Ausschlachtung werden bleiben, da sind sich die laufenden Experten einig. Halten kann man davon, was man will. Andi Goceva jedenfalls findet: „Wenn mehr Menschen Zugang zum Laufen aufgrund von Marken finden, die Werbung dafür machen, ist das doch super. Alles, was die Bevölkerung zu einem aktiveren und gesünderen Lebensstil treibt, ist doch sehr erstrebenswert.“

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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