Nachrichten, Lokalnachrichten und Meldungen aus Berlin und Brandenburg, Polizeimeldungen und offizielle Pressemeldungen der Landespressestelle des Landes Berlin.

70 Prozent Zuwachs: In die deutsche Biotech-Branche fließt enormes Wagniskapital

70 Prozent Zuwachs: In die deutsche Biotech-Branche fließt enormes Wagniskapital

© Getty Images/E+

70 Prozent Zuwachs: In die deutsche Biotech-Branche fließt enormes Wagniskapital

Finanzierungsflaute abgehakt: Biotech-Unternehmen erhalten wieder deutlich mehr Geld. Ein Kapitalgeber aus Paris legt einen 250-Millionen-Fonds auf – und in Frankfurt läuft ein Börsengang.

Von Maike Telgheder

| Update:

Die Finanzierungsflaute nach der Coronapandemie ist abgehakt: Die deutschen Biotech-Unternehmen erhalten wieder deutlich mehr Kapital. Mehr als 1,6 Milliarden Euro sind in den ersten neun Monaten in die Branche geflossen, knapp 70 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Das zeigen Zahlen des Branchenverbands Bio Deutschland und der Beratungsgesellschaft EY, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegen.

Und es dürften noch mehr Investments kommen. Denn einer der großen Wagniskapitalgeber der Life-Sciences-Branche, Kurma Partners mit Sitz in Paris, hat am Donnerstag angekündigt, einen neuen 250 Millionen Euro schweren Biotech-Fonds aufzulegen – den bisher größten der Investmentfirma.

Schwerpunkt der Investitionen ist Europa, darunter Deutschland. 140 Millionen Euro hat Kurma bereits eingesammelt, die restlichen 110 Millionen Euro sollen bis Ende des kommenden Jahres gesichert sein.

Kurma Partners hat mit dem Geld aus seinem Biofund IV in diesem Jahr bereits drei europäische Biotech-Firmen mit Wagniskapital unterstützt, darunter eine aus Deutschland. Das Unternehmen SciRhom hat sich auf Autoimmunerkrankungen spezialisiert und eine neue Therapie gegen Rheuma entwickelt.

Im Sommer hatte sich das Unternehmen in einer ersten Finanzierungsrunde (Serie A) insgesamt 63 Millionen Euro bei verschiedenen namhaften Investoren sichern können – neben Kurma Partners waren unter anderem Andera Partners, MIG Capital und Wellington Partners beteiligt.

Zahl großer Finanzierungsrunden wächst

„Wir sind ein internationaler Wagniskapitalgeber, aber rund drei Viertel unserer Investments tätigen wir in Europa – vor allem in Deutschland, Frankreich und den Beneluxstaaten“, sagt Peter Neubeck, Partner bei Kurma in Deutschland. Die hiesige Biotech-Branche hat sich seiner Ansicht nach in den vergangenen Jahren stark professionalisiert. „Die Expertise ist da, viele Unternehmen haben echte Erfolgsstorys geliefert“, sagt er.

Dazu zählen nicht nur Impfstoff-Pioniere wie Biontech. Auch die milliardenschwere Übernahme des Biotech-Pioniers Morphosys durch den Pharmakonzern Novartis in diesem Jahr und der Erwerb der auf Herzkrankheiten spezialisierten Cardior durch den dänischen Konzern Novo Nordisk gelten in der Branche als klare Beispiele für die Wertschätzung von Biotech made in Germany.

1,6Milliarden Euro sind in den ersten neun Monaten in die Branche geflossen, knapp 70 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres

Der Erfolg zeigt sich aber auch in einer wachsenden Zahl an Finanzierungsrunden, bei denen mehr als 100 Millionen Euro zusammenkamen. In diesem Jahr gab es davon bereits drei und alle gingen an Firmen im Raum München, die sich auf die Bekämpfung von Krebs spezialisiert haben.

ITM SE, die radioaktive Therapien gegen Tumore erforscht, sicherte sich 188 Millionen Euro. Catalym erhielt 137 Millionen Euro, um ein Medikament zu entwickeln, das Krebstherapien besser wirken lässt. Und Tubulis, die bereits im März eine 128 Millionen Euro schwere Finanzierungsrunde abgeschlossen haben, erforscht sogenannte Antibody-Drug Conjugates (ADCs), die quasi wie eine Chemotherapie in der Zelle fungieren.

Nasdaq bei Börsengängen erste Wahl

Insgesamt flossen von Januar bis September rund 803 Millionen Euro an Wagniskapital in die Branche, ein Plus von mehr als 50 Prozent. Über Kapitalerhöhungen holten sich die Unternehmen von Januar bis September rund 813 Millionen Euro an der Börse, was einem Zuwachs von 86 Prozent entspricht. Allerdings liegt das zu einem großen Teil an einer Wandelanleihe des Diagnostikunternehmens Qiagen in Höhe von umgerechnet 451 Millionen Euro.

Trotz guter Nachrichten bleibt Deutschland im Vergleich zu den USA beim Thema Finanzierung weiterhin abgeschlagen, wie nicht nur Kurma Partner Neubeck meint. So flossen laut Daten des Finanzierungsspezialisten FCF von Januar bis August umgerechnet mehr als 13,3 Milliarden Euro an Wagniskapital in den Biotech-Sektor der USA, mit dem Schwerpunkt auf Onkologie.

Und beim Thema Börsengänge ist die US-Technologiebörse Nasdaq ohnehin seit Jahren auch für die deutschen Biotech-Unternehmen die erste Wahl. Dort gibt es das entsprechende Expertenumfeld, das den Unternehmen höhere Bewertungen verspricht.

„Alles ist auf die Nasdaq gerichtet, das ist vielleicht ein Problem“, sagt auch die Chefin des Biotech-Unternehmens Cardior, Claudia Ulbrich. Aber beim Thema Börsengang sei die US-Börse quasi alternativlos, wenn Unternehmen hohe Summen einholen müssten, um die teuren Wirkstoffstudien zu finanzieren.

Auch Cardior hatte laut Ulbrich schon einem Börsengang an die Nasdaq als Option ins Auge gefasst. Letztlich hatte sich das Unternehmen in diesem Jahr aber entschieden, Teil von Novo Nordisk zu werden. Der Hersteller der Diabetes- und Diätspritzen Ozempic und Wegovy will sich ein Standbein im Therapiefeld kardiovaskuläre Erkrankungen aufbauen, wozu Cardior mit seinem neuartigen therapeutischen Ansatz gegen Herzinsuffizienz maßgeblich beitragen kann. Novo Nordisk zahlt mehr als eine Milliarde Euro für Cardior.

Lichtblick Pentixapharm-Börsengang

Eine Trendwende für Börsengänge in Deutschland ist also nicht zu erwarten. Auch nicht durch das heutige Börsendebüt Pentixapharm in Frankfurt – der erste Börsengang einer Biotech-Firma an der hiesigen Börse seit Brain Biotech sich 2016 dorthin gewagt hatte. Dass es Frankfurt wurde, liegt auch an der Struktur des Börsengangs, der technisch gesehen eine Kombination aus einer Abspaltung von der börsennotierten Muttergesellschaft Eckert & Ziegler SE und einem öffentlichen Angebot ist.

„Eine Notierung von Pentixapharm in Frankfurt war die logische Wahl, da das deutsche Aktienrecht eine Abspaltung in die USA sehr kompliziert und kostspielig gemacht hätte“, sagt Andreas Eckert, Aufsichtsratsvorsitzender der Pentixapharm Holding AG. Eine Umwandlung in eine US-zugelassene Rechtsform hätte Barabfindungsansprüche der Aktionäre nach sich gezogen, was angesichts der hohen Anzahl von Aktionären einen erheblichen Verwaltungsaufwand sowie eine finanzielle Belastung verursacht hätte, heißt es.

„Mit dem Börsengang in Frankfurt nutzen wir bekannte regulatorische Rahmenbedingungen und bieten unseren Aktionären eine effiziente Lösung“, sagt Eckert. Gleichzeitig behalte man die Option einer Zweitnotierung in den USA, „ohne dabei unter unmittelbarem Druck zu stehen“.

Pentixapharm platzierte im Zuge der Abspaltung von der Muttergesellschaft 3,9 Millionen Aktien zum Preis von je 5,10 Euro und plant damit 19,9 Millionen Euro einzunehmen. Zum Ausgabepreis wird der Entwickler von Radiopharmazeutika mit 126,5 Millionen Euro bewertet. Knapp 62 Prozent der Aktien sind künftig im Streubesitz.

(Dieser Text ist zuerst im Handelsblatt erschienen)

Zur Startseite

showPaywall:falseisSubscriber:falseisPaid:showPaywallPiano:false

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

Hinterlasse eine Antwort

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.