Weitere Details nach Messerattacke in Solingen: IS veröffentlicht Video – Angeblich Täter von Solingen

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Update Weitere Details nach Messerattacke in Solingen: IS veröffentlicht Video – Angeblich Täter von Solingen

Der mutmaßliche Angreifer von Solingen sitzt in Untersuchungshaft. Laut Polizei handelt es sich um einen 26-jährigen Syrer. Ein Video, das der IS teilt, soll den Mann beim Treueschwur zeigen.

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat zwei Tage nach dem tödlichen Messerangriff von Solingen ein Video veröffentlicht, das den Täter zeigen soll. In dem etwa einminütigen Video ist ein vermummter, jung wirkender Mann zu sehen, der ein langes Messer in die Kamera hält. Er leistet dem Anführer des IS darin auf Arabisch einen Treueeid und bezeichnet diesen mit dem Ehrentitel „Emir“. Schon am Samstag hatte der IS die Tat mit drei Todesopfern für sich reklamiert.

Der IS teilte über seine Propagandakanäle im Internet mit, vom Täter des Messerangriffs von Solingen Videos erhalten zu haben. Wann das Video aufgenommen wurde und ob es sich beim darin gezeigten Mann um den Täter handelt, konnte zunächst nicht überprüft werden.

Der Mann nennt sich in dem Video Samarkand A. – möglicherweise ein Kampfname – und sagt, er stamme aus Dair as-Saur im Osten Syriens, wo Zellen der Terrormiliz bis heute aktiv sind und Anschläge verüben.

Der mutmaßliche Täter von Solingen, ein 26-jähriger Syrer, hatte sich am Samstagabend gestellt und sitzt inzwischen in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, sich dem IS angeschlossen zu haben. Wegen seiner radikal-islamistischen Überzeugungen habe er den Entschluss gefasst, auf dem Solinger Stadtfest eine möglichst große Anzahl aus seiner Sicht ungläubiger Menschen zu töten. Der von den Ermittlern genannte Name ist ein anderer als der in dem Video.

Angeblich „Racheakt für Menschen in Palästina“

Der Mann in dem IS-Video sagt, dass seine Attacke eine Vergeltung sei für die Tötung von Muslimen in Syrien, im Irak und in Bosnien. An seine Eltern gerichtet sagt er, sein Angriff sei auch ein Racheakt für die „Menschen in Palästina“, die Massaker mit Unterstützung von „Zionisten“ erleiden müssten – ein Verweis auf den Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas im Gazastreifen.

Zuvor hatte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) über neue Details der Ermittlungen gesprochen. Bei der Durchsuchung einer Asylunterkunft am Samstagabend sei unter anderem eine Halterung für ein Messer gefunden worden, sagte Reul der „Rheinischen Post“. „Und da passte das von uns zuvor gefundene Messer genau rein.“ Das in der Nähe des Tatorts gefundene Messer habe eine Klinge von 15 Zentimetern und sei die einzige Tatwaffe.

Der tatverdächtige 26-jährige Syrer sei seit 2022 in NRW, zunächst in Paderborn und dann in Solingen. „Wir haben aber keine Vorerkenntnisse über ihn gehabt“, schilderte Reul. Die Tat sei wohl nicht spontan gewesen. Nach Angaben des Innenministers hatte der Mann sich vor seiner Aufgabe „nicht weit von der Unterkunft“ versteckt.

Am Freitagabend waren bei einem Stadtfest in Solingen drei Menschen mit einem Messer getötet worden. Acht Menschen wurden verletzt, vier davon schwer.

Festgenommener offenbar mit Verbindung

Nach Angaben Reuls wurde am Samstag in der Asylunterkunft ein Mann festgenommen, der in einer Verbindung zum Tatverdächtigen steht. „Die beiden kennen sich gut. Die haben viel zusammen gemacht – möglicherweise auch am Tattag. Er wusste auf jeden Fall irgendetwas über den Flüchtigen. Er war nicht unwissend.“

In welcher Verbindung ein am Samstagmorgen festgenommener 15-Jähriger konkret zum Tatverdächtigen stehe, könne er noch nicht sagen. „Der hat womöglich etwas von der Tat gewusst“, so Reul. Jemand habe gehört, wie er weit vor der Messertat darüber gesprochen habe.

Wir haben nicht nur einen Hinweis auf diese Person gehabt, sondern wir haben auch Beweisstücke gefunden.

Herbert Reul, Nordrhein-Westfalens Innenminister (CDU)

Syrer Issa Al H. soll sich Abschiebung entzogen haben

Am Sonntagmorgen sagte der Ärztliche Direktor des Städtischen Klinikums Solingen, Thomas Standl, der „Welt“: „Alle vier noch stationär behandelten Patienten sind über den Berg.“ Keiner der Patienten müsse mehr beatmet werden.

In einer gemeinsamen Pressemeldung der Generalstaatsanwaltschaft und der Polizei Düsseldorf hieß es, der mutmaßliche Täter habe sich selbst bei den Ermittlungsbehörden gestellt und angegeben, für den Anschlag verantwortlich zu sein, hieß es zuvor in einer gemeinsamen Pressemeldung der Generalstaatsanwaltschaft und der Polizei Düsseldorf.

Den Sicherheitsbehörden war er demnach bislang nicht als islamistischer Extremist bekannt. Dies wurde der Deutschen Presse-Agentur bestätigt.

Medienberichten zufolge sollte der Syrer Issa Al H. im vergangenen Jahr aus Deutschland nach Bulgarien abgeschoben werden. Zuvor war sein Asylantrag abgelehnt worden. Eine offizielle Bestätigung gibt es demnach bislang nicht.

Neues Bekennerschreiben des „Islamischen Staates“

Am Samstag hatte die Polizei die Flüchtlingsunterkunft im früheren Finanzamt von Solingen mit starken Kräften gestürmt. Auch ein Spezialeinsatzkommando war beteiligt. Der Bereich wurde von einer Hundertschaft abgesperrt.

Die Extremistenorganisation „Islamischer Staat“ (IS) hatte bereits am Samstag erklärt, für den Messerangriff in Solingen verantwortlich zu sein. Das geht aus einer Stellungnahme der Organisation vom Samstag hervor.

Demnach habe ein „Soldat“ des IS den Angriff „auf eine Versammlung von Christen in der Stadt Solingen in Deutschland“ am Freitag verübt, teilte das IS-Propaganda-Organ Amaq am Samstag im Onlinedienst Telegram mit. Der Angreifer habe damit „Rache“ für Muslime in den Palästinensergebieten und anderswo auf der Welt geübt.

Die Polizei Düsseldorf hat nach eigenen Angaben ein Bekennerschreiben der Terrormiliz erhalten. Ob es echt ist, müsse noch geprüft werden. Aus Ermittlerkreisen wurde auch darauf hingewiesen, dass der IS in der Vergangenheit öfter Taten für sich reklamiert habe, ohne dass es für eine wirkliche Zusammenarbeit mit dem Täter belastbare Hinweise gegeben habe.

Der IS versucht seit Monaten, aus Gaza Kapital zu schlagen.

Peter R. Neumann, Professor für Sicherheitsstudien am King’s College

Die Mitteilung sei von Medienkanälen, die zum IS gehören, veröffentlicht worden und entspreche in Form, Inhalt und Sprache früheren Bekennermitteilungen der Terrorgruppe, die sich im Nachhinein als zutreffend herausgestellt hätten, berichtet die Katholische Nachrichten-Agentur unter Berufung auf Medienberichte. Der Name des Täters werde in dem Schreiben nicht genannt.

Den Sicherheitsexperten Peter R. Neumann vom Kings College in London hatte das erste Schreiben nicht überrascht: „Der IS versucht seit Monaten, aus Gaza Kapital zu schlagen, obwohl er selbst nicht an dem Anschlag vom 7. Oktober beteiligt war“, sagte er dem Tagesspiegel.

Ein Schild mit der Aufschrift „Warum?“ liegt am 24. August 2024 an einer behelfsmäßigen Gedenkstätte in der Nähe des Tatortsin Solingen.

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Ob der IS tatsächlich beteiligt war, oder sich der Täter einfach zur Gruppe bekennt, ist noch unklar. „Der IS muss nicht, aber kann an der Tat mitgewirkt haben“, so Neumann.

Die Behörden teilten zuvor mit, auch ein Terrorhintergrund werde geprüft, wie der Leitende Oberstaatsanwalt Markus Caspers am Samstagnachmittag auf einer Pressekonferenz sagte. „Wir gehen nach den Gesamtumständen davon aus, dass der Anfangsverdacht einer terroristisch motivierten Tat nicht ausgeschlossen werden kann“, so Caspers.

Wir haben seit langer Zeit eine erhöhte abstrakte Gefahr.

Hendrik Wüst, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen

Es soll sich um einen „sehr gezielten Angriff auf den Hals“ der Opfer gehandelt haben, sagte Polizeiführer Thorsten Fleiß am Samstag auf der Pressekonferenz. Aus Polizeikreisen hieß es noch am Samstagmorgen, der Fall werde nicht mehr als Amoklage eingestuft, sondern als Anschlag.

Bereits am Samstagmorgen war ein Mann festgenommen worden. Die Polizei in Düsseldorf meldete hierzu: „Im Rahmen der Fahndung konnte eine Person festgenommen werden, bei der geprüft wird, ob es möglicherweise Tatzusammenhänge gibt.

Ein Polizist lässt in Solingen einen Mantrailerhund an einer Geruchsprobe schnuppern.

© dpa/Christoph Reichwein

Bei der festgenommenen Person handelt es sich um einen 15-Jährigen. Dem Teenager wird Oberstaatsanwalt Caspers zufolge „momentan lediglich die Nichtanzeige geplanter Straftaten zur Last gelegt“.

Demnach habe eine unbekannte Person kurz vor dem Angriff mit dem Jugendlichen „über Absichten gesprochen, die zur Tatausführung passen würden“, berichtete der Oberstaatsanwalt unter Berufung auf zwei Zeuginnen. Ob es sich bei der unbekannten Person um den Täter handelt, sei bislang unklar.

Dem „Solinger Tageblatt“ hatten Augenzeugen kurz nach der Tat berichtet, dass der mutmaßliche Täter in Richtung Hauptstraße geflohen sei. Die Tat ereignete sich auf dem Fronhof – einem Marktplatz in der Innenstadt von Solingen. Dort steht nach wie vor eine Bühne, auf der Livemusik gespielt werden sollte.

Eine Reporterin der Zeitung hatte eine „gespenstische Stimmung“ direkt nach dem Anschlag geschildert. Binnen weniger Minuten sei die ausgelassene Feierstimmung in Schock umgeschlagen, ihr seien tränenüberströmte Besucherinnen und Besucher entgegengekommen.

Nach der Messerattacke auf dem Solinger Stadtfest stehen am Samstagmorgen Zelte von Polizei und Feuerwehr am Tatort vor der Bühne auf dem Fronhof.

© dpa/Christoph Reichwein

Die Polizei bat um Mithilfe der Bevölkerung. Auf ihrem Hinweisportal (https://nrw.hinweisportal.de/) könnten Hinweise zur Tat oder dem Täter abgegeben und Bild- oder Videomaterial hochgeladen werden.

Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, bezeichnete den tödlichen Angriff von Solingen als Akt des Terrors. Im Gespräch mit dem ZDF betonte er, dass es derzeit keine konkreten Hinweise auf weitere Anschlagspläne gebe. Allerdings bestehe eine allgemeine Gefährdung unabhängig von dem Messerangriff in Solingen: „Wir haben seit langer Zeit eine erhöhte abstrakte Gefahr.“

Er fordert eine Aufarbeitung innerhalb der Behörden. „Da gibt es eine Menge Fragen. Es sind auch eine Menge Behörden involviert. Das muss aufgeklärt werden, und da muss Klartext gesprochen werden, wenn da etwas schiefgelaufen ist“, sagte Wüst am Sonntagabend im Interview der „Aktuellen Stunde“ im WDR Fernsehen.

Zur offenbar fehlgeschlagenen Abschiebung des Tatverdächtigen sagte Wüst: „Wenn da irgendwo was schiefgelaufen ist, bei welcher Behörde auch immer, ob vor Ort in Bielefeld, in Paderborn oder bei Landes- oder Bundesbehörden, dann muss die Wahrheit da auf dem Tisch.“ Unter der Verantwortung des Bundesamts für Migration und Flucht seien viele Behörden damit beschäftigt. „Ich will das wissen, was da schiefgelaufen ist, wenn da was schiefgelaufen ist“, so Wüst.

Vor dem Hintergrund des Anschlags sprach sich Reul am Sonntagabend für die Begrenzung der Zuwanderung aus. „Wir können nicht alle aufnehmen, die zu uns kommen wollen. Wir brauchen klare Regelungen für die Zuwanderung. Und wir brauchen eine Begrenzung. Wir müssen an den Außengrenzen Europas Lösungen finden, wir müssen an den deutschen Grenzen die Maßnahmen intensivieren“, sagte der Innenminister. Auch Abschiebungen müssten schneller und einfacher gehen.

Weiteres Programm in Solingen abgesagt – Scholz besucht Solingen

Das Fest in Solingen war beendet worden. Auch die für Sonntag geplanten Programmpunkte wurden gestrichen. In den nahegelegenen Städten Hilden und Haan und anderen Orten in NRW wurden ebenfalls für dieses Wochenende geplante Feste kurzfristig abgesagt – als Zeichen der Trauer, aber auch aus Sicherheitsgründen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) besucht am Montag die Stadt. An dem Besuch soll auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) teilnehmen, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP aus Regierungskreisen.

Geplant sind demnach am Vormittag Treffen mit Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD), ein Gedenken an die Opfer am Ort des Anschlags, sowie ein Gespräch mit Einsatzkräften. Anschließend soll es ein gemeinsames Pressestatement geben.

Aus Anlass des 650. Geburtstags der Stadt Solingen hatte am Freitag ein „Festival der Vielfalt“ begonnen. Es sollte bis Sonntag dauern.

Am Sonntagabend demonstrierten verschiedene Gruppierungen in der Solinger Innenstadt. Insgesamt habe es drei verschiedene Versammlungen rund um die Innenstadt und den Tatort gegeben, sagte ein Sprecher der Polizei. Nachdem zunächst alles friedlich verlaufen sei, hätten einige Teilnehmer einer Demonstration von linken Gruppierungen eine Polizeikette durchbrochen. Die Beamten seien dadurch genötigt gewesen, sich mit Schlagstöcken zu wehren.

Die Polizei sei mit entsprechenden Kräften vor Ort gewesen, um für Sicherheit zu sorgen. Wie viele Menschen sich insgesamt jeweils versammelten, war am Abend unklar. Bei einer Trauerkundgebung, zu der das von linken und bürgerlichen Organisationen getragene Bündnis „Wuppertal stellt sich quer“ aufgerufen hatte, rechnete die Polizei im Vorfeld mit rund 100 bis 200 Teilnehmern. Zu einer Kundgebung der Jungen Alternative, der Jugendorganisation der AfD, wurden laut Polizei 50 Teilnehmer angemeldet. (mira, lem, dpa)

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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