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Darf’s ein bisschen mehr sein? : Ein Gen, das Leben verlängert
Viele Säugetiere werden nur ein paar Jahre alt, die Lebensspanne des Menschen wird nur noch vom Wal übertroffen. Dennoch lassen sich die Unterschiede in der Lebenserwartung der Arten lebensverlängernd nutzen.
Eine Kolumne von
„Einen Hamster? Wollen Sie ihrem Kind etwas über die Endlichkeit des Lebens beibringen?“ Mit diesen Worten riet die resolute Kita-Erzieherin Eltern gern von dem beliebten, aber kurzlebigen Haustier ab. Auch den meisten anderen Nagetier-Arten bleibt nur eine kurze Frist auf Erden: Mäuse leben im Mittel drei Jahre, Degus und Ratten schaffen bis zu vier, Kaninchen und Meerschweinchen immerhin zehn, Hamster nur zwei, höchstens drei Jahre. Doch es gibt erstaunliche Ausnahmen. Der Biber etwa kann bis zu 20 Jahre alt werden, Nacktmulle sogar über 40.
Was macht den Unterschied aus? Warum leben die einen nur kurz, die anderen, obwohl eng verwandt und daher mit ähnlichem Erbgut ausgestattet, viel länger? Beim Nacktmull macht offenbar ein besonderer Stoff den Unterschied, eine besonders schwere, langkettige Form von Hyaluronsäure. Diese Moleküle kommen vor allem in den Zwischenräumen der Zellen vor und wirken dort nicht nur entzündungshemmend und Gewebeschäden entgegen, sondern reduzieren auch die Häufigkeit von Krebs: Nacktmulle entwickeln fast nie Tumore.
Auch Mäuse und Menschen haben Hyaluronsäure, allerdings eine leichtere, kurzkettigere Variante. Lassen sich die lebensverlängernden Eigenschaften des Nacktmull-Hyalurons übertragen, wenn man den Bauplan dafür, das Hyaluronan-Synthase-2-Gen (Has2) vom Nacktmull ins Erbgut einer Maus einsetzt? Im Labor von Vera Gorbunova von der University of Rochester (USA) wurde dieses Experiment kürzlich gemacht.
Tatsächlich lebten Mäuse mit der Hyaluron-Variante des Nacktmulls im Schnitt 4,4 Prozent länger, mitunter sogar 12,2 Prozent, also statt rund 150 Wochen bis zu etwa 170 Wochen. Und sie sind dabei sogar gesünder, entwickeln nur halb so häufig Krebs, bekommen seltener Entzündungen und zeigen erst später und seltener Alterserscheinungen. Effekte, die sich womöglich auch auf den Menschen übertragen ließen, meint Gorbunova. Zwar nicht durch einen Gentransfer, aber mithilfe von Medikamenten, die den Anteil langkettiger Hyaluronsäuren beim Menschen erhöhen.
Ob das klappt und wie viele zusätzliche Wochen oder Jahre dabei herausspringen könnten, ist offen. Sicher ist jedoch, abseits aller Alterns- und Genforschung, dass die Zahl der Tage eines Lebens keine Rolle spielt, solange die Tage nicht von Leben erfüllt sind. Der Erbonkel wünscht ein schönes, lebendiges Wochenende.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de