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„Der Buchspazierer“ im Kino: Christoph Maria Herbst als Bücheronkel vom Dienst

„Der Buchspazierer“ im Kino: Christoph Maria Herbst als Bücheronkel vom Dienst

© dpa/Bernd Spauke

„Der Buchspazierer“ im Kino: Christoph Maria Herbst als Bücheronkel vom Dienst

Keine Angst vor Kitsch. Ngo The Chau verfilmt den Bestseller „Der Buchspazierer“ von Carsten Henn als sentimentales Märchen.

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Ein schlaues Mädchen und ein misanthropischer alter Grantler. Die Buddy-Kombi ist so alt wie Johanna Spyris Kinderbuchklassiker „Heidi“. Darin schafft es bekanntlich die kleine Heidi durch Zuneigung und ihr frisch, fromm, fröhliches Wesen, den Almöhi aufzutauen, der mit der Menschheit eigentlich nichts mehr zu tun haben will.

Carsten Henns Roman „Der Buchspazierer“ arbeitet nach demselben Prinzip. Da ist es nur folgerichtig, dass „Heidi“ auch kurz in einer Szene erwähnt wird. Als Dreamteam, das alle Herzen in Nullkommanichts zum Schmelzen bringt, fungieren Christoph Maria Herbst, den es im Herbst seines Komikerlebens nun auch zu Rollen fürs Gemüt zieht, und die muntere Newcomerin Yuna Bennett.

Herbst spielt Carl Kollhoff, einen alten Buchhändler, der in einer büchergefüllten Dachstube haust wie weiland Spitzwegs armer Poet. Auf Bücher lässt Kollhoff sich weit lieber ein als auf Menschen. Jeden Tag dreht er im Auftrag einer Buchhandlung seine Runde und liefert per pedes und Ranzen sorgfältig eingeschlagene Bücher aus.

An Kunden, die ebensolche Sonderlinge sind, wie er selbst. „Die Bücher müssen zu ihren Menschen“ erklärt er der neunjährigen Schascha, die den seltsamen Mann neugierig begleiten will und sich zuerst ein ums andere Mal einen Korb einfängt. Schascha ist genauso ein Bücherwurm wie Kollhoff und hat als Halbwaise auch selbst ein schweres Päckchen zu tragen.

Der Kameramann Ngo The Chau zieht in seiner ersten Regiearbeit für das Kino alle handelsüblichen Register, um dem sentimentalen Märchen den rechten Schmelz zu verleihen. Das gemächliche Erzähltempo, die kuschelige Kleinstadt mit ebensolchen Interieurs, der nostalgische Look warmer Farben und die komplette Verweigerung garstiger Realität machen den „Buchspazierer“ zur gemütlichen Kinounterhaltung für die ganze Familie.

Nur notorische Miesepeter wie der Literaturkritiker Denis Scheck stellten schon bei der Romanvorlage fest, dass der „Buchspazierer“ im Genre „Buchhandels-Porno“ spielt. Ein stets als edel, hilfreich und gut geschildertes Milieu, das im Kino nicht nur für romantische Komödien wie „E-Mail für Dich“ gut ist, sondern auch für Science-Fiction-Klassiker wie François Truffauts Ray-Bradbury-Verfilmung „Fahrenheit 451“. Dort sind die Büchermenschen die Guten, die sich allein durch das Lesen einer seelenlosen Gesinnungsdiktatur entgegenstellen.

Mister Darcy und Effi Briest

Von solchen Subversivitäten ist „Der Buchspazierer“ völlig frei. Die Bücher, die Carl Kollhoff und seine neue Freundin zu Mister Darcy, Frau Langstrumpf, Herkules und Effi Briest tragen, wie Kollhoff seine Kunden nach Romanfiguren charakterisiert, sind allesamt Seelenstreichler. Und Schascha wäre nicht Schascha, wenn sie es beim Austragen beließe. So ungefragt und ungestüm wie in Kollhoffs Leben, platzt sie auch in die der einsamen Bibliophilen.

Maren Kroymann als einstige Grundschullehrerin, Edin Hasanovic als reicher Herr von Hohenesch und Hanna Hilsdorf als geknechtete Ehefrau macht es sichtlich Spaß, ihre Figuren zu überzeichnen. Sowohl in deren Versteinerung wie in deren Aufbruch. Ronald Zehrfeld als grobmotorischer Dachdecker, der sein Kind nun alleine groß ziehen muss, scheint in diesem Setting dafür unter starkem schauspielerischen Unwohlsein zu leiden.

Dass Oldie Carl Kollhoff ausgerechnet durch eine Anglizismen absondernde Geschäftsführerin (Nikola Kastner) ausrangiert wird, die die altmodische „Buchhandlung am Stadttor“ zum gesichtslosen Shop „Orange Books“ umbaut, lässt sich unter dem Schlagwort wohlfeile Kapitalismuskritik verbuchen.

„Dies ist die Geschichte von einem Mann, der frische Luft in sein Leben lassen musste“, verkündet die Erzählerinnenstimme zu Beginn des „Buchspazierers“. Das wäre auch eine gute Idee für die Feelgood-Verfilmung von Carsten Henns belletristischer Schmonzette gewesen.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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