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„Irreguläre Migration zurückdrängen“: Scholz verteidigt Grenzkontrollen – Faeser verspricht keine langen Staus
In Europa gibt es Kritik daran, dass ab Montag wieder an allen deutschen Grenzen Einreisende stichprobenartig überprüft werden. Der Kanzler begründet den Schritt– und rügt andere EU-Staaten.
Deutschland verschärft seinen Kurs in der Migrationspolitik. Vom morgigen Montag an wird wieder an allen deutschen Grenzen überprüft, wer in die Bundesrepublik einreisen will – stichprobenartig. Die stationären und mobilen Kontrollen sind zunächst für ein halbes Jahr bis Mitte März vorgesehen, können aber verlängert werden. Normalerweise sind solche Kontrollen im Schengenraum mit seinen 29 Staaten nicht vorgesehen, sie müssen bei der EU-Kommission angemeldet werden. Scharfe Kritik kam bereits aus Polen und Griechenland.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Ausweitung der Kontrollen nun begründet und dabei auch andere Länder der Europäischen Union (EU) für ihr Grenzregime kritisiert, weil sie ihre Verpflichtungen des sogenannten Dublin-Systems nicht erfüllen würden.
Wir können uns ja leider nicht ganz darauf verlassen, dass alle unsere Nachbarn das so machen, wie sie es machen sollen. Das gehört zur Wahrheit dazu.
Olaf Scholz, Bundeskanzler (SPD)
„Wir werden uns selbstverständlich an das Europarecht halten, aber trotzdem haben wir die Grenzkontrollen verstärkt. Das ist auch notwendig“, sagte Scholz der Nachrichtenagentur Reuters zufolge am Samstag im brandenburgischen Prenzlau bei einem Bürgerdialog als SPD-Bundestagsabgeordneter mit Blick auf die Kritik aus einigen EU-Nachbarstaaten. „Wir können uns ja leider nicht ganz darauf verlassen, dass alle unsere Nachbarn das so machen, wie sie es machen sollen. Das gehört zur Wahrheit dazu.“
„Irreguläre Migration ist nicht das, was wir wollen“, sagte Scholz weiter. Wenn wie im vergangenen Jahr 300.000 Menschen nach Deutschland kämen, von denen nur ein Teil einen Schutzanspruch habe, „dann ist das nicht gut“.
Dabei machen wir keine nationalen Alleingänge, die Europa kaputt machen, sondern handeln eng abgestimmt mit unseren Nachbarn.
Nancy Faeser, Bundesinnenministerin (SPD)
Die allermeisten Flüchtlinge kämen auf dem Landweg an die deutsche Grenze und hätten dabei eine ganze Reihe europäischer Staaten durchquert, in denen sie ihren Schutzantrag hätten stellen müssen. „Und in diesen Fällen müssen wir sagen: ,Das Verfahren machen wir bitte da, wo du es eigentlich machen musst’“, sagte Scholz. Das versuche man nun mit mehr Grenzkontrollen zu erreichen, was „natürlich zu Unbequemlichkeiten“ führe, fügte er mit Blick auf den Grenzverkehr hinzu.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte angeordnet, dass es ab Montag an allen deutschen Landgrenzen Grenzkontrollen geben soll, um die Zahl unerlaubter Einreisen stärker einzudämmen. Das betrifft Frankreich, Dänemark, Belgien, die Niederlande und Luxemburg. An den Grenzen zu Österreich, Polen, Tschechien und der Schweiz gibt es solche Kontrollen schon. Und auch an der Grenze zu Frankreich wurde zuletzt bereits kontrolliert, was die Bundesregierung unter anderem mit den Olympischen Spielen begründete.
Faeser sagte der „Bild am Sonntag“ („BamS“) nun, mit den Kontrollen wolle man „die irreguläre Migration weiter zurückdrängen, Schleuser stoppen, Kriminellen das Handwerk legen, Islamisten erkennen und aufhalten“.
Zur Kritik aus Polen erklärte sie: „Dabei machen wir keine nationalen Alleingänge, die Europa kaputt machen, sondern handeln eng abgestimmt mit unseren Nachbarn.“ Lange Warteschlangen an den Grenzen werde es durch stichprobenartige Kontrollen nicht geben. „Keine langen Staus, sondern smarte Kontrollen, so wie die aktuelle Lage es erfordert.“
Merz fordert ehrliche Bilanz der Grenzkontrollen
Unionsfraktionschef und CDU-Chef Friedrich Merz forderte, die Wirkung der Grenzkontrollen zu überprüfen. „Ich erwarte am Jahresende von der Bundesregierung eine ehrliche Bilanz, ob die von ihr ergriffenen Maßnahmen die Zahl von irregulär einreisenden Migranten merklich reduziert“, sagte er der „BamS“. „Nur Zurückweisungen an unseren Grenzen hätten sofort einen Effekt.“
Ein gemeinsames Treffen zwischen Regierung, der Union als größter Oppositionskraft und Bundesländern zur Migrationspolitik war am Dienstag gescheitert. Die Ampelregierung und die Union sind sich darin einig, dass die sogenannten Dublin-Fälle nicht mehr in Deutschland bleiben sollen, wollen aber unterschiedliche Wege gehen.
Merz pocht auf weitreichende Zurückweisungen von Asylbewerbern an den deutschen Grenzen – nach Einschätzung der Bundesregierung wären diese europarechtlich nicht zulässig. Stattdessen möchte die Ampel das Verfahren für sogenannte Dublin-Überstellungen beschleunigen. Dabei geht es um die Rücknahme Schutzsuchender durch jene EU-Länder, die für die Bearbeitung ihrer Asylverfahren zuständig sind – in der Regel ist das der Staat, wo jemand zuerst europäischen Boden betreten hat.
Faeser hatte dafür einen Plan für den Aufbau von Auffanglagern in Grenznähe vorgelegt, in denen innerhalb von fünf Wochen geklärt werden soll, in welchem europäischen Land ein Asylantrag bearbeitet werden muss. Dann sollen betroffene Personen aus diesen Einrichtungen heraus abgeschoben werden.
Am Samstag forderte auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) Zurückweisungen von Migranten aus, die über sichere Drittstaaten eingereist sind. „Wir fordern das in Brandenburg schon lange“, sagte er dem Nachrichtenportal „t-online“.
Scholz hatte am Freitag mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk über die Frage gesprochen, der den deutschen Schritt scharf kritisiert hatte. Nun will nach Angaben des Regierungssprechers auch mit anderen EU-Nachbarn telefonieren, wie die Agentur dpa berichtet. Er hoffe, dass man eine gemeinsame Lösung erreiche, sagte der Kanzler demnach. Der Kanzler setze darauf, dass die beschlossene Asylreform in der EU umgesetzt werde, weil es letztlich ein faires Modell für alle sei, so der Sprecher.
Kritisch zu den deutschen Plänen äußerte sich der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Er sagte der dpa in Luxemburg: „Ich bin kein Freund von Grenzkontrollen, weil sie mit massiven Unannehmlichkeiten für die Pendler verbunden sind.“ Stationäre Grenzkontrollen hält er für besonders problematisch. „Wenn es Kontrollen geben muss, dann wären mobile statt stationärer Kontrollen nicht an der Grenze, sondern im Hinterland weniger schwierig für Betroffene“, sagte er mit Blick auf die Grenze zu Luxemburg.
Juncker sagte, er habe Verständnis dafür, dass man während der Fußball-EM zeitweise stationäre Grenzkontrollen gemacht hatte. „Jetzt um das Thema Flüchtlinge, Zuwanderer und illegale Einwanderer herum stationäre Grenzkontrollen für einen langen Zeitraum durchzuführen, das scheint mir nicht angebracht.“ Juncker war von 2014 bis 2019 EU-Kommissionspräsident.
Im Schengen-Raum haben auch andere Länder wieder zeitlich befristete Grenzkontrollen eingeführt. „Ich sehe das mit Sorge“, sagte Juncker. „Dass man jetzt ohne viel Federlesen die Errungenschaft der europäischen Integration zur Disposition stellt, das macht mich schon besorgt.“ Es dürfe nicht sein, „dass man wieder in den Köpfen und in den Herzen der Menschen Grenzen entstehen lässt“. (lem)
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de
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