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Jérôme Boateng wechselt nach Österreich: Nehmt Gewalt gegen Frauen endlich ernst!
Boateng hat bei LASK Linz unterschrieben – nur wenige Wochen, bevor er sich erneut vor Gericht verantworten muss. Das sagt viel über das System Profifußball aus.
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Als Ausnahmespieler, Vorzeigeathlet und außergewöhnlichen Charakter wurde Jérôme Boateng am Freitag gefeiert. Und zwar vom österreichischen Erstligisten LASK, der sich dazu entschied, den ehemaligen Nationalspieler für zwei Jahre zu verpflichten – ausgerechnet jenen Mann, gegen den weiterhin schwere Gewaltvorwürfe im Raum stehen.
In den sozialen Medien sorgte die Transferentscheidung für große Kritik, aber auch für Unglaube. Von Ignoranz und Unwissen war die Rede. Dabei ist die Verpflichtung eine bewusste Entscheidung. Und die sagt viel über die Strukturen und Wirkmechanismen des Profifußballs aus. Denn Männer schützen dort weiterhin Männer. Das Thema Gewalt gegen Frauen wird von den Klub-Bossen immer noch nicht ernst genommen – anderenfalls würde man zumindest das finale Urteil gegen Boateng abwarten.
Nicht einmal die schockierenden Sprachnachrichten der verstorbenen Kasia Lenhardt können daran etwas ändern. Die hatte der Spiegel-Podcast „Die Akte Kasia Lenhardt“ kürzlich zutage gefördert. „Leider hat er meinen linken Daumen fast gebrochen“, sagte Lenhardt über einen Vorfall, der sich während des Oktoberfests 2019 in München abgespielt haben soll.
Das Verfahren wird in wenigen Wochen neu aufgerollt
Und dennoch entscheidet sich ein österreichischer Erstligist dazu, Boateng dazu verpflichten. Auch andere Vereine bekundeten offenbar Interesse. „Ich hatte zahlreiche Angebote vorliegen“, sagte Boateng, der sich zu den Vorwürfen im Fall Lenhardt in den vergangenen Monaten nicht einmal geäußert hat.
Medien wie „Sky Sport Austria“ feierten es als „echten Transfercoup“ – nur wenige Wochen bevor Boateng sich erneut vor Gericht verantworten werden muss. Denn am 14. Juni wird beim Münchner Landgericht das Hauptverfahren gegen den gebürtigen Berliner beginnen, der von seiner ehemaligen Lebensgefährtin wegen Beleidigung und Körperverletzung angezeigt wurde.
Seinen ehemaligen Vereinen FC Bayern München, Olympique Lyon und US Salernitana machte das wenig aus, sie zeigten sich weitestgehend solidarisch. Lyons damaliger Sportdirektor Juninho bereute den Transfer zwar mittlerweile, allerdings nicht aufgrund der Gewaltvorwürfe. „Wir fanden das nicht so schlimm.“ Das größere Problem sei gewesen, dass Boateng wegen des Gerichtsprozesses oft nach Deutschland fliegen musste – und daher beim Training fehlte.
Im Millionengeschäft Fußball sollen eben keine negativen Schlagzeilen produziert werden, auch nicht abseits des Feldes. Beim FC Bayern, wo Boateng im vergangenen Herbst beim Probetraining erschien, ging dieser Plan glücklicherweise nicht auf: Die Fans protestierten im Stadion lautstark gegen die Beinahe-Rückkehr. „Misogyne Gewalt ist keine Privatsache!“, stand auf einem Banner.
Und sie hatten Erfolg: Unmittelbar nach dem Spiel verkündete Bayern-Präsident Herbert Hainer, dass man Boateng keinen Vertrag anbieten werde. Beim FC Bayern vertrete man „klare Werte und die verfolgen wir auch“ Bleibt zu hoffen, dass sich auch die LASK-Anhänger Gehör verschaffen und deutlich machen: Boateng darf keine Bühne geboten werden, solange die Gewaltvorwürfe nicht ein für alle Mal geklärt sind.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de