© dpa/Tom Weller
Öfter mal was Neues: Thomas Müller und seine veränderte Rolle beim DFB-Team
Thomas Müller spielt immer, hieß es früher. Inzwischen kann er bei der Nationalmannschaft nicht mal mehr sicher sein, eingewechselt zu werden.
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130 Länderspiele hat Thomas Müller für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bestritten, die Europameisterschaft in Deutschland ist bereits sein siebtes großes Turnier. Und doch gibt es auch für den inzwischen 34-Jährigen immer noch Dinge, die er so noch nicht erlebt hat.
Bei der EM ist es erstmals so, dass nach den Spielen einige ausgewählte Spieler in der Mixed Zone zur internationalen Presse sprechen. Eigens dafür hat der Fußballverband Uefa ein Stehpult mit Mikrofon aufstellen lassen. Auch Thomas Müller ist diese Aufgabe schon zuteilgeworden, das war nach dem Eröffnungsspiel gegen Schottland.
Die Fragen prasselten auf ihn ein, und als auch noch ein Uefa-Officer schlichtend einzugreifen versuchte, fühlte sich Müller „wie auf einer Pferdeauktion“.
Auch sonst hält die Europameisterschaft einige neue Erfahrungen für den ältesten Feldspieler der deutschen Mannschaft bereit. „Müller spielt immer“, hat Louis van Gaal einmal gesagt, als er noch dessen Trainer beim FC Bayern München war. Zuletzt hieß es eher: Müller wird zumindest immer eingewechselt. Inzwischen aber gilt selbst das nicht mehr.
Er ist ein absolutes Vorbild, wie er sich verhält, wie er der Mannschaft hilft.
DFB-Sportdirektor Rudi Völler über Thomas Müller
Etwas mehr als eine Viertelstunde brutto hat der Münchner bei der EM bisher gespielt. Im Eröffnungsspiel in seinem Stadion wurde er für Jamal Musiala eingewechselt – unter großem Getöse des Publikums, das den Routinier mit freudigem Jubel aufs Feld geleitete. In den beiden folgenden Gruppenspielen aber hat Müller keine Minute mehr gespielt.
Im Verein läuft es inzwischen ähnlich. Die beiden jüngsten Spielzeiten in der Bundesliga waren, abgesehen von seiner Debütsaison, die mit der geringsten Spielzeit (1677 und 1674 Minuten). Und so selten wie im Vorjahr (21-Mal) hat er noch nie bei den Bayern in der Startelf gestanden.
In der Nationalmannschaft gab es seit seinem Debüt im März 2010 genau sechs Länderspiele, in denen Thomas Müller zwar im Kader stand, aber die komplette Spielzeit auf der Bank zubringen musste. Vier davon fallen in die Amtszeit von Julian Nagelsmann. Bei der EM ist ihm das nun zum ersten Mal überhaupt sogar zweimal nacheinander widerfahren: gegen Ungarn und die Schweiz.
Trotzdem hat Rudi Völler, der Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), dieser Tage kundgetan, dass er Müller im Teamquartier in Herzogenaurach „total entspannt und gut drauf“ erlebe. „Er ist ein absolutes Vorbild, wie er sich verhält, wie er der Mannschaft hilft“, sagte Völler. Müller sei auf jeden Fall jemand, „der große Chancen hat, noch zu spielen“.
Müller ist eine Kann-Option, keine Muss-Option
Die nächste Möglichkeit dazu besteht an diesem Samstag, im Achtelfinale gegen Dänemark. Sollte das Spiel auf das hinauslaufen, was viele – bis auf die Dänen natürlich – erwarten, auf einen ungefährdeten Sieg für den klar favorisierten Gastgeber nämlich, dann könnte Bundestrainer Julian Nagelsmann die Einwechslungen vor allem für die Hygiene innerhalb des Kaders nutzen.
Müller ist für den Bundestrainer jetzt nicht mehr eine Muss-Option wie Mittelstürmer Niclas Füllkrug, der eingewechselt wird, wenn die Mannschaft dringend ein Tor braucht. Er ist eher eine Kann-Option und konkurriert mit Newcomern wie Maximilian Beier oder Deniz Undav um die raren Spielminuten bei der EM.
Realistisch betrachtet ist die Europameisterschaft das letzte große Turnier, an dem Thomas Müller teilnehmen wird. Und der EM-Pokal ist der letzte große Titel, der ihm in seiner stattlichen Sammlung noch fehlt. Natürlich wird Müller den gemeinschaftlichen Erfolg nicht durch egoistische Anwandlungen gefährden. Er fügt sich in seine Rolle.
Müller ist nicht nur der Gute-Laune-Onkel
Bei der Bekanntgabe des EM-Kaders hat der Bundestrainer in höchsten Tönen von Müller geschwärmt. In seinem Faible für Anglizismen hat er den Münchner als Connector bezeichnet, als Verbinder also. „Er kann mit den Rappern in der Mannschaft, er kann aber auch mit denen, die jodeln“, sagte Nagelsmann. Und trotzdem sei Müller nicht der „Gute-Laune-Onkel“ im Team, „er hat natürlich auch fußballerische Qualitäten“.
Auch Müller selbst wehrt sich gegen die Deutung, dass er auf seine alten Fußballertage für die Rolle vorgesehen ist, die bei der WM 2014 Lukas Podolski eingenommen hat: eine Art Maskottchen in Fußballschuhen. „Ich habe nicht den Auftrag, Leute zu unterhalten“, hat Müller in der Vorbereitung im Weimarer Land gesagt. „Durch Unterhaltung kommen wir hier nicht weit.“
Thomas Müller ist nach wie vor davon überzeugt, dass er der Mannschaft mit seiner Art auch fußballerisch helfen kann. „Die technische Seite ist auf jeden Fall besser geworden, auch der linke Fuß“, sagt er über sich selbst. „Ich verliere deutlich weniger Bälle.“
Und er freut sich, wenn er seine Kollegen überraschen kann. Vor allem die jungen. Maximilian Beier, 21 Jahre alt, hat in der Vorbereitung sein Erstaunen darüber geäußert, wie gut Müller beim Computerspiel Fifa sei. „Ich war auch mal jung“, hat Thomas Müller dazu gesagt. „Dementsprechend habe ich da nicht viel verlernt, auch wenn ich nicht in Übung bin.“
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de