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Wird Habeck Kanzlerkandidat?: Warum sich die Grünen über Kretschmanns Vorstoß ärgern
Der grüne Ministerpräsident Kretschmann spricht sich für Vizekanzler Habeck als Spitzenkandidat aus. In der Partei kommt das gar nicht gut an – denn das Rennen ist noch offen.
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Im Stuttgarter Schauspielhaus präsentiert Entertainer Harald Schmidt seinem Publikum einen prominenten Überraschungsgast. Es ist Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Die beiden plaudern über die Automobilindustrie und Kretschmanns früheren Job als Lehrer, dann äußert sich der Grünen-Politiker überraschend zur offenen Kanzlerkandidatur in seiner Partei. Habeck sei der Richtige, er sei ein „Kommunikator“ und verfüge über „Exekutiverfahrung“. Über Annalena Baerbock kein Wort.
Im Herbst 2019 war das und löste bei den Grünen eine große Unruhe aus. Es hagelte Kritik am einzigen Ministerpräsidenten der Grünen, nach wenigen Tagen musste er seine Aussagen relativieren. Fünf Jahre später scheint sich die Geschichte zu wiederholen. Wieder bemühen sich Habeck und Baerbock um die Spitzenkandidatur, wieder ist das Rennen offen und wieder prescht Kretschmann vor.
„Ich würde es begrüßen, wenn Robert Habeck Spitzenkandidat wird“, sagte der 75-Jährige in einem Interview mit dem „Spiegel“. Habeck sei ein „begabter und tatkräftiger“ Politiker, der zudem die Fähigkeit habe, aus Fehlern zu lernen. Er habe Deutschland sicher durch die Energiekrise gebracht und beim Ausbau der Erneuerbaren die „Schrauben gelöst“. Über Annalena Baerbock kein Wort.
Habeck hält sich bedeckt
Dabei will sich die Außenministerin keinesfalls geschlagen geben, wie aus ihrem Umfeld zu hören ist. Baerbock, die im Bundestagswahlkampf 2021 auch über eigene kleine Fehler stolperte und die Erwartungen der Grünen nicht erfüllen konnte, will diesen Makel offenbar ablegen. Mit ihrer diplomatischen Erfahrung als Außenministerin und stärkeren Wahlkampfstrukturen der Partei könnte ihr eine stärkere Kandidatur als beim letzten Mal gelingen. Doch bislang ist es ein Schattenkampf der beiden Spitzengrünen – mal wieder.
Schattenkampf der beiden Spitzengrünen. Robert Habeck und Annalena Baerbock.
© dpa/Jan Woitas
Dabei sieht man sich im Habeck-Lager schon auf der Siegesstraße. Er führe die Partei in der Ampel-Regierung, sei beim Heizungsgesetz durchs Feuer gegangen und habe die meisten Gesetze auf den Weg gebracht. Auch Habeck selbst gab sich zuletzt auffällig gelassen: „Das wird viel einfacher, als alle glauben“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. „Annalena und ich haben kein Problem.“ Es gebe eine „fast schon logische Konstellation“. Die Logik: Vizekanzler sticht Außenministerin.
Doch öffentlich will auch Habeck die Rolle des Kanzlerkandidaten noch nicht übernehmen: „Die Debatte führen wir nicht jetzt“, sagte er in einem Interview mit dem „Focus“. Es gehe jetzt darum, „Sicherheit und Freiheit“ zu gewährleisten.
Es gibt zurzeit sicherlich andere Themen, für die die Menschen sich interessieren.
Eine Grünen-Sprecherin will von der K-Frage nichts wissen.
Es ist auch ein Zeichen an die Partei. Denn dort kommen die Äußerungen von Kretschmann überhaupt nicht gut an. „Es gibt zurzeit sicherlich andere Themen, für die die Menschen sich interessieren. Darauf fokussieren wir uns“, teilt eine Grünen-Sprecherin auf Anfrage mit.
Tatsächlich stecken die Grünen mitten im wichtigen Europa- und Kommunalwahlkampf. Störgeräusche um Personaldebatten für die Bundestagswahl kommen da ungelegen. Manchen kommt es gar vermessen vor angesichts der Umfragen, die die Grünen nur bei etwa 13 Prozent sehen. Der Unmut in Fraktion, Ländern und Bundespartei über Kretschmann ist groß – selbst bei Grünen, die es eher mit Habeck halten.
Auch in Ostdeutschland, wo im Herbst drei weitere wichtige Landtagswahlen anstehen, hält man die Wortmeldung für unpassend. „Wir stehen vor zentraler Europawahl, wichtigen Kommunalwahlen in Thüringen und den anstehenden Landtagswahlen im Herbst, die darüber entscheidet, ob es uns gelingt, unseren Wohlstand zu erneuern, Frieden zu sichern und unsere Demokratie zu verteidigen“, sagt Madeleine Henfling, Spitzenkandidatin der Thüringer Grünen. Die Bürger würden zu Recht erwarten, „dass wir uns darauf fokussieren und nicht auf Personalfragen“, sagte sie dem Tagesspiegel.
Doch viel Zeit bleibt Habeck und Baerbock nicht, um eine Entscheidung zu fällen. Sollten sie sich nicht einigen, will die Partei eine Ur-Wahl unter allen Mitgliedern durchführen. Ein Ergebnis soll vor dem Parteitag im November vorliegen.
Doch eine Basisentscheidung der fast 130.000 Mitglieder bräuchte organisatorisch einigen Vorlauf, daher erwartet man in der Parteizentrale bald Klarheit. Wie das Gründungsmitglied Winfried Kretschmann abstimmen würden, ist nun immerhin bekannt.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de
Warum sich die Grünen über Kretschmanns Vorstoß ärgern? Wird Habeck wirklich Kanzlerkandidat?
Die Grünen ärgern sich über Kretschmanns Vorstoß, da das Rennen um die Kanzlerkandidatur noch offen ist. Es ist interessant zu sehen, wie sich die Dynamik innerhalb der Partei entwickeln wird in Bezug auf Habecks potenzielle Rolle.