© Getty Images/Umberto Cicconi
Zum 100. Geburtstag von Marcello Mastroianni: Der ironische Latin Lover
Er prägte für die Welt das Bild des italienischen Mannes. Ein Bild, das nicht weiter entfernt sein könnte von Superman und sexuellem Draufgänger.
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Die noch schönere Hälfte des Traumpaars hatte gerade eben ihren 90. Geburtstag. Vor einer Woche feierte Italien seine Diva assoluta Sophia Loren, im kleinen Kreis und ein wenig ehrerbietig, im römischen Cinema moderno.
So weit hat es ihr langjähriger Partner nicht geschafft. Marcello Mastroianni, der an diesem Samstag vor 100 Jahren geboren wurde, überlebte seinen 70. Geburtstag nur wenige Jahre; er starb 1996 in Paris.
Lorens Erklärung für ihr gusseisern blendendes Aussehen dürfte zwar eine dicke Lüge sein („Das macht alles die Pasta“). Dagegen kann als gesichert gelten, dass es viel zu viele Zigaretten waren, die Mastroianni vorzeitig unter die Erde brachten.
Die Vulkanische und der Gebrochene
War Loren der Inbegriff und auch ein bisschen das kitschtaugliche Klischee jener italienischen femminilità, die sie selbst wesentlich prägte und bis nach Hollywood exportierte – vulkanisches Temperament, nicht auf den Mund gefallen, vor allem aber: atemberaubend schön – dann war Mastroianni prägend für das Bild des italienischen Mannes.
Freilich kein wirkliches Gegenstück, der Typus war ein leicht gebrochener. Mastroianni spielte keinen glutäugigen Draufgänger, er war ironisch, selbstirionisch, sogar passiv und gelegentlich leicht desorientiert. So hat ihn Federico Fellini in „La dolce vita“ 1960 in Szene gesetzt, als Reporter, einen stillen, leicht depressiven Beobachter des „süßen Lebens“ der Stars und Sternchen im Rom jener Zeit.
So spielte Mastroianni meist, vor allem mit Loren, der stets raumgreifenden. Typisch der Episodenfilm „Ieri oggi e domani“, der 1965 den Oscar als bester ausländischer Film erhielt: Mastroianni gibt darin unter anderem den gestressten Ehemann einer neapolitanischen Zigarettenverkäuferin (Loren).
Damit sie für ihre Schmuggelware nicht im Gefängnis landet, muss sie immer wieder schwanger werden – von ihrem Gatten, der nicht mehr kann noch will.
Seine Rollen: impotente, schwule und verunsicherte Männer
Mastroianni spielte als Mittdreißiger den impotenten „Bell’Antonio“ nach dem bitterbösen Gesellschaftsroman von Vitaliano Brancati und 13 Jahre später, wieder mit Sofia Loren, den schwulen Gabriele in Ettore Scolas „Ein besonderer Tag“. In Fellinis „Stadt der Frauen“ ironisierte sein verpeilter Möchtegern-Macho 1980 die Verwirrung, in die die neue Frauenbewegung die Herren der Schöpfung gestürzt hatte.
Wir hatten unseren Freiheitssinn und die Liebe zum Leben gemeinsam. Er war immer ein liebenswerter Feigling, so sah er sich selbst. Ich weiß nicht, ob ich mehr seine Lebensgefährtin oder seine Geliebte war – ich hoffe, ich war beides. Marcello bleibt die große Liebe meines Lebens.
Catherine Deneuve, französische Filmschauspielerin
Marcello Vincenzo Domenico Mastroianni wurde am 28. September 1924 in Fontana Liri in der Ciociaria geboren, einer Landschaft östlich von Rom. Sein Vater war Zimmermann, die Mutter entstammte einer gutbürgerlichen russisch-jüdischen Familie, die nach Italien migriert war. Von den jüdischen Wurzeln der Mutter erfuhr der Sohn erst spät.
Sophia Loren und Marcello Mastroianni in dem Film „Marriage – Italian Style“ von 1964.
© Michael Ochs Archives
Auch er sollte Handwerker werden. Doch der junge Mann, der Internierung im NS-besetzten Italien gerade entflohen, hatte zwei linke Hände und nahm lieber Schauspielstunden. „La dolce vita“, der Film, der ihn zum Star machte, war der Beginn einer lebenslangen Zusammenarbeit mit Federico Fellini. Doch Mastroianni filmte auch mit Antonioni, Visconti, der als sein eigentlicher Entdecker gilt, und anderen aus der Crème der italienischen Regisseure der 1950er bis 80er Jahre.
„Meine Droge heißt Catherine“
Seit 1970 kamen Arbeiten in Frankreich dazu, der Heimat von Catherine Deneuve. Mastroianni, der bis zu seinem Tod mit der italienischen Kollegin Flora Carabella verheiratet blieb, sagte von ihr: „Meine Droge heißt Catherine“. „Die größte Liebe meines Lebens“ nannte ihn Deneuve, die mit ihm die Tochter Chiara hatte.
An diesem Samstag werden sie in seiner kleinen Heimatstadt Fontana Liri den vermutlich größten Sohn der Stadt feiern. Aber natürlich feiert auch alle Welt, jedenfalls der Teil davon, der das Kino liebt. Eine Retrospektive zu Mastroiannis 100. Geburtstag gibt es etwa in Albaniens Hauptstadt Tirana, wie der Tagesspiegel erfuhr.
Un divo, ein Gott eben, wie Italien so passend auch die männlichen Stars nennt. Aber ein ganz besonderer, meint die Autorin seiner jüngsten Biografie, die Filmkritikerin Barbara Rossi. Sie hat ihrem Buch einen passenden Untertitel gegeben: „Der freundliche Gott“
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de