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Besuch aus Schweden in Berlin: Königin Silvia berichtet über ihren Kampf gegen sexuelle Gewalt
Nach einem Mittagessen mit dem Bundespräsidenten trifft Schwedens Königin Silvia auf eine hochkarätige Versammlung von Kinderschutz-Experten. Eine Sache bedauern die Anwesenden besonders.
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Seit 25 Jahren kämpft Königin Silvia von Schweden hartnäckig gegen den sexuellen Missbrauch an Kindern und dessen Folgen. Im Schloss Bellevue erzählt sie am Mittwoch im Gespräch mit der Frau des Bundespräsidenten, Elke Büdenbender, und den Ministerinnen Nancy Faeser und Lisa Paus, wie alles begann.
Bei einem Staatsbesuch in Island habe man sie zu einem Kinderhaus geführt, in dem die Hilfe für betroffene Kinder im Vordergrund stand. Sie sollten nicht durch alle Instanzen zwischen Eltern, Polizei und Gericht gezerrt werden, sondern unter einem Dach Wärme und Hilfe finden.
Das fand sie fantastisch und wollte so ein Haus in Schweden auch etablieren. Das Argument einer Ministerin, dass ein Richter für Frauen, Männer und Kinder gleichzeitig zuständig sein könne, ließ sie nicht gelten. „Kinder denken und sprechen ganz anders.“ Kurz darauf war ein Haus in Schwedenrot gefunden, in dem missbrauchte Kinder sich wohlfühlen sollten.
Kinder denken und sprechen ganz anders.
Königin Silvia von Schweden
Nach einem Mittagessen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seiner Frau trifft die schwedische Königin beim Round-Table-Gespräch zu Ehren des Jubiläums ihrer World Childhood Foundation auf ein hochkarätiges Publikum. Viele im Kinderschutz aktive Institutionen haben Repräsentanten mit großer Expertise geschickt. Allen ist klar: Es braucht mehr Informationsaustausch, um den Schutz vor sexuellem Missbrauch nachhaltiger zu verankern.
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Am Anfang habe sie gehofft, dass ihre Stiftung bald überflüssig sein werde, sagt die Königin. Die Risiken der Kinder hätten sie stets tief berührt. Experten und Betroffene sind sich einig, dass es sexuellen Missbrauch wohl immer geben wird, dass man aber mehr und effizientere Maßnahmen ergreifen kann, um ihn einzudämmen.
10Häuser der World Childhood Foundation gibt es in Deutschland
„Die Stiftung sieht ihren Auftrag darin, Wissen zu verbreiten und zukunftsweisende Initiativen anzustoßen“, legt Königin Silvia vor. Innenministerin Nancy Faeser greift diesen Gedanken auf: „Es gibt immer noch Hemmungen, über sexuelle Gewalt zu sprechen, weil die Täter oft sehr nah dran sind.“
Sie kommen oft aus dem Familien- oder Bekanntenkreis, auch aus Sportvereinen. Ein Zentrum „Safe Sport“ sei bereits eingerichtet worden, an das Betroffenen sich wenden können. Die Innenministerin sieht in sexualisierter Gewalt eines der schlimmsten Verbrechen, weil es die Verwundbarsten unserer Gesellschaft treffe.
Datenschutz sollte nicht über dem Leid von Kindern stehen
Und sie weiß, dass die Zahl der Sexualdelikte immens gestiegen ist. Identifizierungsmöglichkeiten im Netz werden aus ihrer Sicht dringend gebraucht. Freimütig gibt sie zu, wie wütend sie das mache, wenn der Datenschutz über dem Leid von Kindern stehe.
Für Julia von Weiler von der Organisation „Innocence in Danger“ gehört zum Beispiel mehr Fortbildung für Lehrer dazu, die sich nicht herausreden dürften, dass Kinder den Umgang mit dem Smartphone eben besser beherrschten als sie selbst. Die Geschäftsführerin der World Childhood Foundation Deutschland, Astrid Helling-Bakki, wirbt für mehr Informationsaustausch zwischen Medizin, Polizei, Psychologie, Jugendhilfe und Justiz.
Ohne Erfahrungswissen Betroffener geht es nicht
Anwesende Betroffene danken teils sehr emotional Königin Silvia für ihren Einsatz, das Thema auf die Agenda zu bringen. Sie bestehen darauf, dass neue Konzepte ohne ihr Erfahrungswissen im Detail nicht funktionieren können. Immerhin gibt es heute auch in Deutschland zehn Childhood-Häuser der Stiftung. Eine Repräsentantin der Charité erinnert an den Verlust an Lebensqualität, mit dem Betroffene zu kämpfen haben.
„Es gibt in Deutschland kein Erkenntnisproblem, aber ein Umsetzungsproblem“, sagt der Lobbyist der katholischen Kirche, Karl Jüsten, der sich mehr Sparringpartner auf Länderebene wünscht und mehr Kontrolle und Evaluierung seitens des Staates. Die Verwaltungsrichterin Elke Büdenbender setzt sich für eine Gesetzesänderung ein, wie sie in Schweden und Norwegen wohl schon existiert.
Das Gegenargument, besondere Rechte für Kinder seien ein Angriff auf die Familie, lässt sie nicht gelten, da die meisten Angriffe auf Kinder doch aus den Familien kämen. Familienministerin Lisa Paus berichtete vom Gesetzentwurf zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt und über vertrauliche Anhörungen. Kinder sollten künftig in der Schule lernen, wann ihre Grenzen überschritten sind.
Bedauert wird, dass zu dem intensiven Austausch im großen Saal des Schlosses nicht mehr Politiker gekommen sind. Es wird aber neue Chancen geben, denn man ist sich einig, dass dies nicht die letzte Zusammenkunft gewesen sein dürfte.
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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de