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Bonus nur für Gewerkschaftsmitglieder: Arbeitgeber gewähren Extrageld oder freien Tag

Bonus nur für Gewerkschaftsmitglieder: Arbeitgeber gewähren Extrageld oder freien Tag

© dpa/Arne Dedert

Bonus nur für Gewerkschaftsmitglieder: Arbeitgeber gewähren Extrageld oder freien Tag

Erstmals hat die IG Bergbau, Chemie, Energie in einem großen Tarifvertrag einen exklusiven Vorteil für ihre Mitglieder durchgesetzt. Das könnte Schule machen – befürchten Arbeitgeberverbände.

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Die Gewerkschaft bleibt friedlich – das ist die Botschaft des diesjährigen Tarifabschlusses für die Chemie- und Pharmaindustrie. Der Arbeitgeberverband BAVC hatte mit der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) ein außergewöhnliches Abkommen geschlossen: Erstmals bekommen Gewerkschaftsmitglieder in einem großen Flächentarifvertrag einen exklusiven Vorteil festgeschrieben: einen freien Tag im Jahr zusätzlich.

Ein Tag ist nicht viel, doch die Verabredung schlägt Wellen. Die Arbeitgeber haben Angst, dass dieser „tarifpolitische Meilenstein, der neue Maßstäbe auch für andere Branchen darstellen wird“, wie es laut IG BCE heißt, andere Gewerkschaften zur Nachahmung animiert. Das wäre tatsächlich ein Paradigmenwechsel im deutschen Tarifsystem.

Grundsätzlich haben nur die Mitglieder der Gewerkschaft, die den Tarifvertrag unterschreibt, auch einen Rechtsanspruch auf die Inhalte des Vertrags. Nicht-Gewerkschaftsmitglieder erhalten in der Regel jedoch ebenfalls die Tarifleistungen; das verhindert die Spaltung der Belegschaft und gleichzeitig vermeiden Arbeitgeber, dass sich Beschäftigte einer Gewerkschaft anschließen, um die tarifvertraglichen Leistungen zu bekommen.

1500 Euro extra bekommen Gewerkschaftsmitglieder bei der Leag.

Mit der schwindenden Tarifbindung und den schrumpfenden Mitgliederzahlen der Gewerkschaften wächst seit langem der Verdruss in den Gewerkschaften über „Trittbrettfahrer“, die von Tarifabschlüssen profitieren, aber nichts dafür tun. Eine Schlussfolgerung daraus ist die Besserstellung der Mitglieder. Mehr als 20 Jahren habe man das vergeblich versucht, heißt es bei der IG BCE, mit 570.000 Mitgliedern hierzulande die größte Gewerkschaft nach IG Metall und Verdi.

Ein paar Tausend neue Mitglieder

Jetzt haben sich die Arbeitgeber darauf eingelassen, weil dadurch der „sozialpartnerschaftliche Kurs der Branche fortgesetzt“ wird, wie der Verband formuliert. Dazu verlängerten die Tarifparteien ein Schlichtungsabkommen, das Streiks in der Branche fast unmöglich macht. Die Unternehmen bekommen also dauerhaft Frieden und die IG BCE mehr Mitglieder.

Ein „paar Tausend“, so heißt es bei der Gewerkschaft, seien in den vergangenen acht Wochen beigetreten. Wer vom kommenden Jahr an den freien Tag bekommen möchte, muss bis Ende September Mitglied sein. Und wer dann sehr lange dabeibleibt, bekommt einen weiteren freien Tag im Jahr des Jubiläums – nach zehn, 25, 40 und 50 Jahren in der Gewerkschaft.

Bislang gibt es Sonderzahlungen in einzelnen Unternehmen. Bei RWE etwa einen monatlichen Betrag für Gewerkschafter in Höhe von 100 Euro. Für ihre Mitglieder in der Belegschaft der ostdeutschen Leag erreichte die IG BCE einen Extrabonus von 1500 Euro. Ob die Unternehmen den Mitgliedervorteil tatsächlich nur Gewerkschaften gewähren oder der gesamten Belegschaft, bleibt zumeist offen. Anders als nun in der Chemie.

Für den zusätzlichen freien Tag wirbt der Arbeitgeberverband bei seinen Mitgliedsunternehmen für Exklusivität zugunsten der Gewerkschaftsmitglieder. „Wir trauen und vertrauen uns“, beschreibt der IG BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis die Sozialpartnerschaft in der Chemie. Wenn es „schwarze Schafe“ gebe, die den freien Tagen allen Beschäftigten zubilligen, werde man diese an den Pranger stellen.

Bonus nur für Gewerkschaftsmitglieder: Arbeitgeber gewähren Extrageld oder freien Tag

Mit einer konfliktorientierten Tarifpolitik inklusive Streiks mobilisieren Gewerkschaften Mitglieder.

© Bodo Marks/dpa

Und wenn das nicht klappt mit dem exklusiven Mitgliederbonus, dann darf die Gewerkschaft die Schlichtungsvereinbarung Ende 2026 kündigen und doch noch auf Krawall setzten. Andere machen es vor. Nicht nur die Lokführergewerkschaft GDL eskaliert Tarifauseinandersetzungen, um die Basis in Wallung zu bringen und Mitglieder zu gewinnen. Auch die Großgewerkschaften Verdi und IG Metall sind damit erfolgreich.

Ein extremes Beispiel für Mitgliedergewinnung durch Exklusivität sind die Waldkliniken Eisenberg in Thüringen, bei denen Verdi Tarifverträge nur für Mitglieder abschloss: 370 Klinikbeschäftigte traten der Gewerkschaft bei, um mehr Gehalt zu bekommen und eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 40 auf 35 Stunden bis 2028. Der Eisenberger Tarif gelte exklusiv für Verdi-Mitglieder, verspricht die Klinikleitung.

Der Trendsetter im Tarifgeschehen ist traditionell die IG Metall. Das gilt indes nicht für Mitgliederboni. Es „überwiegt die Einschätzung, dass ein Mitgliedervorteil auf erbitterten Widerstand der Arbeitgeber stößt“. Trotzdem sollten „Mitgliederbonus-Regelungen einen festen Platz in der Tarifpolitik der IG Metall behalten und insbesondere auf betrieblicher Ebene weiter ausgebaut werden“, hat der vergangene Gewerkschaftstag beschlossen.

„Nach dem Tarifabschluss der IG BCE haben uns viele Kolleginnen und Kollegen angesprochen, auszuloten, ob und wo auch die Metall-Arbeitgeber inzwischen zu Mitglieder-Boni bereit sind“, berichtet die IG Metall-Vorsitzende Christiane Benner. Sie hat sich an den Arbeitgeberverband Gesamtmetall gewandt, der gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände versucht hatte, die Chemiearbeitgeber von einer Bonusregelung abzuhalten. Vergebens.

Das Thema ist in der Fläche angekommen. Im September beginnen die Tarifverhandlungen für knapp vier Millionen Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie. Bestimmte tarifliche Leistungen nur für Mitglieder, zum Beispiel Kündigungsschutz, kann man sich auch in der IG Metall gut vorstellen.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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