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„Fahrgäste wollen zurecht bei der Fahrt unterbrechungsfrei telefonieren“: 5G soll Züge in Deutschland ab 2027 pünktlicher machen

„Fahrgäste wollen zurecht bei der Fahrt unterbrechungsfrei telefonieren“: 5G soll Züge in Deutschland ab 2027 pünktlicher machen

© dpa/Christoph Schmidt

„Fahrgäste wollen zurecht bei der Fahrt unterbrechungsfrei telefonieren“: 5G soll Züge in Deutschland ab 2027 pünktlicher machen

Noch testen Ericsson und Nokia den superschnellen Mobilfunk entlang der Gleise. Bald schon könnte er auf manchen Strecken die Zugfolgen verkürzen – und zugleich Funklöcher schließen.

Von Christoph Schlautmann

Am entlegenen Plauer See Mecklenburgs deutet wenig darauf hin, dass von dort bald schon die Digitalisierung des europäischen Schienennetzes ausgehen könnte.

Auf der einsamen Bahnstrecke zwischen Karow und Malchow, der bis vor Kurzem noch das Aus drohte, bestimmen verfallende Backstein-Bahnhöfe das Bild. Doch seit wenigen Monaten auch: Funkmasten.

15 Meter hoch ragen sie entlang der zehn Kilometer langen Strecke, aufgestellt von der ehemaligen Vodafone-Tochter Vantage Towers. An ihnen hat der schwedische Netzausrüster Ericsson Antennen und Sender befestigt, die in der Zugsteuerung eine Revolution auslösen sollen. Das Kürzel: FRMCS.

Die Hoffnungen, die sich mit dem „Future Railway Mobile Communication System“ verbinden, sind gewaltig. Das auf dem aktuell schnellsten Mobilfunkstandard 5G arbeitende IT-System überträgt sicherheitsrelevante Informationen zwischen dem Zug und dem Bahn-Kontrollzentrum – in Echtzeit.

Nach und nach soll es das in die Jahre gekommene GSM-Railway ablösen, das auf der zweiten Mobilfunkgeneration aus den 1990er-Jahren basiert. Das ursprünglich vor allem für die Sprachkommunikation entwickelte System wird spätestens 2035 abgeschaltet.

Doch schon jetzt träumt man in Bahnkreisen von der schönen neuen IT-Welt. Nicht nur Schäden am Zug überträgt FRMCS in Sekundenbruchteilen an die Leitstellen, sondern auch Bremsmanöver. Die Abstände zwischen den Zügen lassen sich dadurch verkürzen, ohne die Sicherheit zu gefährden. Vorausfahrende Bahnen verursachen so seltener Verspätungen.

Mehr 5G heißt auch weniger Funklöcher

Sogar autonomes Fahren ermöglicht die neue Technik. Dazu müssen die von Sensoren und Kameras gesammelten Daten stets völlig verzögerungsfrei verarbeitet und übertragen werden.

Die drahtlose Verbindung soll demnächst für das gesamte Europäische Zugsicherungssystem ETCS zum Einsatz kommen. Entsprechend wird es vom Internationalen Eisenbahnverband UIC koordiniert und gemeinsam mit der EU und wichtigen Unternehmen der westeuropäischen Eisenbahnindustrie entwickelt.

„Von der 5G-Technik entlang der Gleise profitieren die Fahrgäste ebenso“, verspricht Ericsson-Westeuropachef Daniel Leimbach im Gespräch mit dem Handelsblatt. Sie könnten künftig mit hoher Datenrate surfen und ohne die bislang lästigen Unterbrechungen telefonieren.

Das seit dem Frühjahr in Mecklenburg laufende Pilotprojekt habe gezeigt, dass mit den dort installierten Sendern und Antennen der lückenlose 5G-Empfang für die Smartphones der Passagiere gesichert sei, sagt Leimbach: „Die Übergabe von einer Funkzelle in die nächste klappt reibungslos.“

Trivial ist dies allerdings nicht. Zwar sichern die 5G-Sender einen massiv gesteigerten Datendurchsatz und eine Übertragung in Millisekunden, ihre Reichweite ist aber auf rund einen Kilometer begrenzt. Ericsson muss dazu die Strahlung bündeln und auf den vorbeifahrenden Zug ausrichten. Speziell in Tunneln, wo noch der Fahrtwind hinzukommt, gleichen die Sender daher horizontal ausgerichteten Trichtern.

Zehntausende Funkmasten, Milliarden Euro

Hinzu kommt, dass die metallbeschichteten Fenster deutscher ICEs wirken wie ein Faraday’scher Käfig. Sie schützen gegen Lärm und Sonneneinstrahlung, aber auch gegen Funkstrahlung.

Die Bahnoberen versuchen es deshalb seit Kurzem mit einem Trick. „Die Scheiben lassen wir durch Laser leicht einritzen“, berichtete DB-Fernverkehrsvorstand Michael Peterson vor Kurzem. Nach den neuen Modellen der Reihe ICE 3 neo sollen bald auch ältere Fernzüge an die Reihe kommen.

„Das Lasern zeigt Wirkung“, bestätigt Ericsson-Spitzenmanager Leimbach. Doch das allein hilft nicht: „Die Umrüstung auf 5G erfordert in Deutschland rund 20.000 neue Masten entlang den Gleisen und kostet voraussichtlich europaweit Milliarden“, sagt er. Die Einführungszeit sei deshalb bis zum Jahr 2035 lang bemessen.

Auf einzelnen Schienenkorridoren erwartet Leimbach 5G allerdings schon weitaus früher. „Im Live-Betrieb wird sie auf manchen Strecken ab 2027 verfügbar sein.“

In der Schweiz ist man voraussichtlich noch schneller. Dort startete die SBB schon 2022 mit der Umrüstung. In sechs bis acht Jahren will man das 3800 Kilometer lange Schienennetz vollständig umgerüstet haben.

Manche Züge fahren schon autonom

Auch Spanien hat bereits fünf Korridore mit der 5G-Technik versehen, die rund 1000 Kilometer Gleisstrecke abdeckt. Bislang ist sie allerdings nur für die Passagiere nutzbar, der Bahnbetriebsfunk muss warten.

Ein Geschäftsmodell haben die Spanier bereits gefunden: Finanziert wird das 5G-Netz entlang der Gleise von der Bahn-Infrastrukturgesellschaft Adif. Sie stellt es Mobilfunkbetreibern wie Vodafone oder Orange gegen Gebühren anschließend zur Verfügung.

20.000neue Mobilfunkmasten an Bahnstrecken sind für den 5G-Ausbau nötig.

Neben Ericsson beteiligt sich auch der Wettbewerber Nokia an der 5G-Ausrüstung des deutschen Bahnbetriebs. In Hamburg installierten die Finnen gemeinsam mit Siemens das schnelle Netz entlang der S-Bahnlinien 2 und 21.

Dort erlaubt die neue Investition seit September 2022, dass sich die Taktung der Vorortzüge verkürzte. Zudem fahren die Linien auf 23 Kilometern nahezu autonom. Der Lokführer überwacht nur noch.

Ein vollständig führerloses System ermöglichte der japanische Hitachi-Konzern im vergangenen Jahr zudem am Flughafen Hongkong. „Dort regelt das über 5G verfügbare Kontrollsystem sowohl den Abstand zwischen den Zügen als auch die Kapazität für die Passagiere“, berichtete Hitachi-Managerin Meryem El Morjani am Rande der Berliner Eisenbahn-Messe Innotrans.

Wissing will keine Teillösung

In New York startete der Vorortzug „Crosstown Line“ zudem mithilfe von Hitachi das erste US-amerikanische Zugsicherungssystem über 5G. „Für Passagiere ist die schnelle Mobilfunkverbindung nicht geöffnet“, schränkte El Morjani ein. „Aber sie wäre möglich.“

Deutschlands Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) macht bereits klar, dass ihm eine solch abgespeckte Lösung keinesfalls reichen würde. „Die Fahrgäste erwarten zurecht in einem Land wie Deutschland, während der Fahrt unterbrechungsfrei telefonieren und mit Highspeed surfen zu können“, erklärte er.

Noch aber besitzen die Deutschen dazu kaum mehr als eine zehn Kilometer kurze Teststrecke zwischen Malchow und Karow.

Dieser Text erschien zunächst im Handelsblatt

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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