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Seoul zeigt, wie Berlin auch sein könnte: Der Traum von einer funktionierenden Stadt

Seoul zeigt, wie Berlin auch sein könnte: Der Traum von einer funktionierenden Stadt

© IMAGO/KIM Jae-Hwan/SOPA Images

Seoul zeigt, wie Berlin auch sein könnte: Der Traum von einer funktionierenden Stadt

Wie fühlt es sich wohl an, wenn alle Busse pünktlich kommen, niemand motzt und öffentliche Toiletten benutzbar sind? Unser Autor weiß es jetzt – doch es war nicht in Berlin.

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Neulich habe ich etwas Ungewöhnliches erlebt: Die U-Bahn kam fünf Tage lang pünktlich. Keinen einzigen Ausfall wegen einer Signalstörung oder eines Lokschadens oder eines Polizeieinsatzes habe ich mitbekommen. Auch die Busse fuhren plötzlich so, wie sie sollten, und niemand hat mich angemotzt.

Für Sie klingt das unglaubwürdig? Ich sollte wohl dazu sagen, dass ich gar nicht in Berlin war. 

Sondern in Seoul, der Hauptstadt Südkoreas. Als Urlaubsziel kann ich diese 10-Millionen-Metropole ganz besonders denjenigen empfehlen, die mal dringend eine Pause von Berlin brauchen und gerne mit eigenen Augen sehen möchten, dass eine große Stadt auch funktionieren kann.

Einerseits liegt das an der Technik. Immer wieder trifft man auf modernes Gerät und stellt sich vor, dass in Berlin vielleicht eines Tages auch darüber nachgedacht werden wird, ob wir uns das nicht anschaffen sollten, so in zehn bis 15 Jahren. Zum Beispiel die KI-Bildschirme an einigen Metro-Stationen: Dort können Fahrgäste in ihrer Muttersprache in ein Mikrofon sprechen und sich nach Preisen, Zeiten oder Wegstrecken erkundigen. Die Antwort erscheint auf dem Monitor, selbstverständlich in der gewünschten Sprache. Ich fragte auf Deutsch „Wie komme ich zur Hongik Universität?“, die KI antwortete: „Geh zuerst zum Bahnhof Hapjeong und steige in Linie 2 um.“ Und sie hatte recht.

Seoul zeigt, wie Berlin auch sein könnte: Der Traum von einer funktionierenden Stadt

Im Gegenteil zu Seoul ist Berlin eher chaotisch. Müll, Dreck und U-Bahnverspätungen stehen hier an der Tagesordnung.

© IMAGO/Florian Gaertner

Bahnfahren ohne Handygedudel von Fremden? Ist möglich!

Die Bahnaufgänge jeder Metro-Station sind übrigens durchnummeriert und ausgeschildert. Man kann sich daher unkompliziert und präzise verabreden mit einem „Wir treffen uns an Ausgang 4“ anstatt eines berlintypischen „Wir treffen uns Hermannstraße Ecke Karl-Marx-Straße drüben auf der Seite von der Deutschen Bank. Du weißt schon, oder?“.

In der U-Bahn selbst wird leise gesprochen. Alte und gebrechliche Menschen müssen nicht erst um einen Sitzplatz bitten. Der wird für sie freigehalten. Auch käme hier niemand auf die Idee, Musik aus seinem Smartphone dudeln zu lassen, weil er keine Kopfhörer dabei hat oder ihm sowieso alles egal ist. Ich denke, in Seoul haben die Menschen noch Schamgefühl.

Menschen, die ihren Müll mit nach Hause nehmen

Ich habe mir auch den Stadtteil Itaewon angeschaut – dort befindet sich die Partymeile Seouls. Aus Neugier habe ich dort eine öffentliche Toilette aufgesucht. Sicher klingt das jetzt ausgedacht, aber: Die Toiletten waren sauber. Man konnte sich dort auf die Klobrille setzen, ohne sie vorher zu reinigen. An einem trubeligen Samstagabend.

Auch liegt in der Öffentlichkeit nirgends Abfall herum: keine Plastikverpackungen, kein Sperrmüll, keine aufgerauchten Kippen. Das ist umso überraschender, weil es kaum öffentliche Mülleimer gibt. Trotzdem habe ich niemanden dabei beobachtet, wie er seinen Abfall einfach auf den Boden fallen ließ. Wenn ich es richtig verstanden habe, nehmen die Menschen ihren Müll mit nach Hause und entsorgen ihn dort. Natürlich ordentlich getrennt. Und nein, nicht in jeder Ecke dieser Stadt befinden sich Überwachungskameras.

Die Autofahrer hupen sehr selten. Also nur, wenn es notwendig ist, nicht aus Laune. Ich sah einen Kleinbus, der beim Versuch, in einer schmalen Gasse zu wenden, den Gegenverkehr lahmlegte. Niemand pöbelte los.

An den Fußgängerüberwegen breiterer Straßen sind überdimensionale Sonnenschirme aufgestellt, damit die Menschen im Schatten auf Grün warten können. Es gibt kleine Parkanlagen mit gepflegten Blumenbeeten und dazu Sitzgelegenheiten auf Kunstrasen – jedoch keinerlei Spuren von Vandalismus.

Was an Berlin wirklich nervt, ist der verbreitete Irrglaube, alles Unschöne und Nichtfunktionierende sei halt der Preis für die Kreativität sowie alles Lebendige, Pulsierende, Coole und Verspielte dieser Stadt. Als könnte es keine Freiheit ohne Dreck geben.

Vielleicht sollten Berlins Spitzenpolitiker, Spitzenbeamte und Stadtplaner einmal zeitnah nach Seoul reisen und schauen, wie Berlin nämlich auch sein könnte. Vermutlich fänden sie tausend gute Erklärungen, warum sich dieses in Deutschland nicht umsetzen ließe und für jenes kein Geld da wäre und warum sowieso jemand ganz anderes zuständig wäre. Das Zweite, was mich an Berlin und seinen Entscheidern gehörig nervt, sind die zu oft fehlenden Ambitionen.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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