Nachrichten, Lokalnachrichten und Meldungen aus Berlin und Brandenburg, Polizeimeldungen und offizielle Pressemeldungen der Landespressestelle des Landes Berlin.

Thüringen: Stellt Wagenknecht am Ende die Ministerpräsidentin?

Thüringen: Stellt Wagenknecht am Ende die Ministerpräsidentin?

© Daniel Friedrich Sturm

Thüringen: Stellt Wagenknecht am Ende die Ministerpräsidentin?

Nach der Landtagswahl in Thüringen könnte das BSW regieren, vielleicht sogar Bodo Ramelow in der Staatskanzlei ablösen. Vieles spricht für eine komplizierte Regierungsbildung.

Von Daniel Friedrich Sturm

Seit an Seit stehen CDU und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) am Freitagnachmittag in Erfurt. Kaum ein Blatt Papier passt zwischen sie.

Der DGB hat zum Sommerfest geladen, es gibt Bier, Bratwurst und ein Frage- und Antwort-Spiel. Dafür werfen die Landtagskandidaten von CDU, BSW, Linken, SPD und Grünen einen Schaumstoffwürfel auf das Feld. Tilo Kummer, Geschäftsführer des BSW, würfelt eine Eins, rückt die Spielfigur, einen Plastikzylinder mit der Aufschrift BSW, auf das erste Feld, und beantwortet eine Frage zum Thema Tarifbindung.

Direkt nach ihm ist Mario Voigt dran, der CDU-Spitzenkandidat für die Wahl am 1. September. Voigt wirft den Würfel in die Höhe. Eine Eins! Sodann rückt Voigt den CDU-Zylinder ins erste Feld, platziert ihn neben dem BSW-Zylinder. Mancher Fotograf eilt herbei. CDU und BSW, das ist ein hübsches Symbolbild daher.

In drei Wochen nämlich könnten CDU und BSW über die Bildung der nächsten Landesregierung verhandeln. Mario Voigt, der Ministerpräsident werden will, dürfte dann Tilo Kummer vom BSW weit öfter als gewohnt begegnen. Viel spricht bei alldem für eine extrem komplizierte Regierungsbildung in Thüringen, wo seit 2020 eine Minderheitsregierung aus Linken, SPD und Grünen im Amt ist. Bodo Ramelow (Linke), Ministerpräsident seit 2014, muss um sein Amt bangen.

Nach der jüngsten Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF kann die rechtsextreme AfD mit 30 Prozent der Stimmen rechnen; bei der Wahl 2019 hatte sie 23,4 Prozent geholt. Alle anderen Parteien haben Koalitionen mit der AfD Björn Höckes ausgeschlossen. Ungewiss ist, wer zweitstärkste Partei wird, in der ZDF-Umfrage liegt die CDU (21 Prozent) knapp vor dem BSW (19 Prozent). Die Linke hat sich mit 15 Prozent seit der letzten Wahl gut halbiert, die SPD liegt bei 7 Prozent. Grüne und FDP fallen demnach aus dem Landtag.

Der Umfrage zufolge sind sich 40 Prozent der Thüringer aber noch nicht sicher, ob und wen sie am 1. September wählen wollen.

Eine Regierung aus CDU, BSW und SPD?

Auf Basis dieser Zahlen könnten CDU, BSW und SPD eine Regierung bilden, besäßen eine extrem knappe Mehrheit im Parlament. Aber eine mathematische Mehrheit ist noch lange keine politische Mehrheit. So reagieren CDU und SPD gereizt auf Bedingungen für eine mögliche Koalition, die Sahra Wagenknecht öffentlich stellt. Wagenknecht kandidiert weder in Thüringen und Sachsen, wo am 1. September gewählt wird, noch bei der Brandenburger Landtagswahl am 22. September.

„Das BSW wird sich nur an einer Landesregierung beteiligen, die die US-Raketenpläne, die die Kriegsgefahr für Deutschland massiv erhöhen, klar ablehnt“, sagte Wagenknecht jüngst dem RND. Sie bezieht sich auf die Vereinbarung von Deutschland und den USA vom Juli, in Antwort auf russische Raketen im Kaliningrader Gebiet weitreichende US-Waffensysteme in Deutschland zu stationieren.

CDU-Spitzenkandidat Voigt und SPD-Spitzenkandidat, Innenminister Georg Maier, reagierten prompt. Voigt schrieb auf X, der „Missbrauch der Landtagswahl von Björn Höcke und Sahra Wagenknecht als Spielball für die eigene bundespolitischen Profilierung“ schade Thüringen.

Voigt wettert gegen „Einmischungen aus dem Saarland“

Er verbäte sich „Einmischungen aus Berlin oder dem Saarland“, schrieb Voigt, gemünzt auf den Wohnsitz Wagenknechts und Oskar Lafontaines. Was noch auffällt: Voigt fordert, anders als sein Parteifreund, Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), kein Ende von Waffenlieferungen für die Ukraine. Er ist, auch wenn er um die Befindlichkeiten seiner Landsleute weiß, ein Transatlantiker.

Das sind Erpressungsversuche, die insbesondere die CDU auf eine Zerreißprobe stellen und damit schwächen sollen.

Georg Maier (SPD), Innenminister in Thüringen

Ähnlich wie Voigt reagierte Vize-Regierungschef Maier (SPD) auf die jüngste Bedingung Wagenknechts. Er sagte dem Tagesspiegel: „Das sind Erpressungsversuche, die insbesondere die CDU auf eine Zerreißprobe stellen und damit schwächen sollen.“ In Thüringen werde BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf „immer mehr zur Marionette, die Weisungen direkt aus Berlin erhält“.

Wagenknecht wirft Felsbrocken über Thüringen ab

Kann man auf dieser Weise zusammen regieren? Schwierig. Andererseits herrscht Wahlkampf, nach dem 1. September wird womöglich verbal abgerüstet. BSW-Spitzenkandidatin Wolf genießt bei CDU und SPD keinen schlechten Ruf, sie war bis Jahresanfang bei den Linken, saß im Landtag, war bis Juni Oberbürgermeisterin von Eisenach. So wenig Steine Wolf CDU und SPD in den Weg liegt, so regelmäßig wirft Wagenknecht Felsbrocken über Thüringen hinab.

Erheblich schwieriger dürfte die Regierungsbildung werden, sollte das BSW vor der CDU liegen. Eine Koalition zwischen CDU und BSW dürfte in der Bundes-CDU ein Beben auslösen, in den westlichen Landesverbänden erst recht. Sollte das BSW bei einer solchen Konstellation auf das Amt des Ministerpräsidenten bestehen? Oder einen parteilosen Kandidaten suchen?

Eine weitere Minderheitsregierung?

Am Ende könnte es in Thüringen abermals zu einer Minderheitsregierung kommen, auch wenn Konsens herrscht, dass die rot-rot-grüne Koalition, die seit 2020 amtiert, mehr schlecht als recht regiert hat. Eine zwar extrem komplizierte, aber denkbare Konstellation wäre Rot-Rot-Rot, also BSW, Linke und SPD. Aller Voraussicht nach wäre das BSW stärkste dieser drei Parteien, der Weg für die Linke also recht weit, der Schmerz groß, die abtrünnigen „Verräter“ ins Amt zu heben.

Testfall Landtagspräsident

Druck auf alle Parteien dürfte die AfD ausüben. Bisher hat die stärkste Fraktion das Vorschlagsrecht für den Landtagspräsidenten. Die AfD wird das, so sie stärkste Fraktion wird, sogleich nutzen. Doch wie oft wird ihr Kandidat scheitern? Einen Anspruch, gewählt zu werden, gibt es nicht.

Als aufschlussreich kann sich erweisen, wie CDU, BSW, Linke und, sofern im Landtag vertreten, SPD, in der Causa Landtagspräsident agieren. Welche Parteien werden sich verbünden, um gemeinsam eine Mehrheit zu erzielen, um einen Landtagspräsidenten jenseits der AfD ins Amt zu verhelfen? Die Antwort auf diese Frage kann ein erster Hinweis sein darauf, welche Parteien Thüringen künftig regieren werden.

Zur Startseite

  • AfD
  • Björn Höcke
  • Bodo Ramelow
  • Bündnis 90 / Die Grünen
  • Bündnis Sahra Wagenknecht
  • CDU
  • Die Linke
  • FDP
  • Michael Kretschmer
  • Sachsen
  • Sahra Wagenknecht
  • SPD
  • Thüringen
  • Unsere Themenseite zum russischen Angriffskrieg

showPaywall:falseisSubscriber:falseisPaid:showPaywallPiano:false

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

Hinterlasse eine Antwort

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.