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„Wir müssen es anders machen“: Böckler-Stiftung diskutiert Transformation und Demokratie

„Wir müssen es anders machen“: Böckler-Stiftung diskutiert Transformation und Demokratie

© imago/Rupert Oberhäuser/IMAGO/Rupert Oberhäuser

„Wir müssen es anders machen“: Böckler-Stiftung diskutiert Transformation und Demokratie

Wie gestalten Gewerkschaften den sozial-ökologischen Wandel mit? Und warum profitiert die AfD? Die Konferenz Labor.a bemüht sich um Antworten.

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Michael Vassiliadis ist aus verschiedenen Gründen unzufrieden mit der Energiewende und generell dem Fortschritt in Wirtschaft und Gesellschaft, der gerne Transformation genannt wird. Die Klimapolitik sei voller Widersprüche und bestehe vor allem aus „Abschalten“ – der ostdeutschen Industrie nach der Wende, dann der westdeutschen AKW und derzeit der Kohlekraftwerke, meint der Vorsitzende der Chemiegewerkschaft IG BCE. „Wenn wir es anders machen, können wir es rocken.“

Die Unternehmen hätten Transformationsstrategien entwickelt, die aufgrund der unzureichenden Infrastruktur – Strom- und Wasserstoffnetze fehlen – nicht umgesetzt werden könnten. Vor allem aber: „Wenn die Menschen den Eindruck haben, das Land funktioniert nicht, dann glauben die nicht an eine erfolgreiche Transformation“, sagte Vassiliadis am Donnerstag bei der Konferenz „Labor.a – Plattform Arbeit der Zukunft“ der gewerkschaftlichen Böckler-Stiftung. Bei ihr kamen laut Veranstalter 100 Speaker zusammen und mehr als 70 Partnerorganisationen. Ziel war es, verschiedene Perspektiven zusammenzubringen, Lücken auf dem Weg der sozial-ökologischen Transformation zu erkennen und über Lösungen und Zukunftsbilder zu diskutieren.

Wenn die Menschen den Eindruck haben, das Land funktioniert nicht, dann glauben die nicht an eine erfolgreiche Transformation.

Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG BCE

An der Stelle kommen die Rechten ins Spiel. „Die AfD mobilisiert sehr erfolgreich Transformationsängste rund um Klimawandel und Demokratie“, sagte Bettina Kohlrausch, Direktorin der Böckler-Stiftung. Das zeigten nicht nur die Wahlergebnisse. Ein wachsender Teil der Menschen „steigt aus den notwendigen Wandlungsprozessen aus“, konstatiert die Sozialwissenschaftlerin Kohlrausch. Das ist schlecht für den Wandel.

Zu wenig Kitas, zu wenige Arztpraxen

Die Unzufriedenheit in bestimmten Bevölkerungsschichten habe vielfältige Ursachen. Der Umstand, dass untere Einkommensgruppen von den vergangenen zwei Krisen am stärksten getroffen wurden, gehört für Kohlrausch dazu. Frank Werneke, Vorsitzender von Verdi, führte die Defizite in der kommunalen Infrastruktur, insbesondere der Daseinsvorsorge an. In vielen Regionen gebe es zu wenig Kitas und Arztpraxen und kaum öffentlichen Personennahverkehr.

Jede Schließung eines Krankenhauses ist ein Fest für die AfD.

Frank Werneke, Verdi-Vorsitzender

„Jede Schließung eines Krankenhauses ist ein Fest für die AfD“, meinte Werneke. Die immer größer werdenden Personallücken im Pflegebereich ließen sich ohne Zuwanderung nicht schließen. Doch Menschen aus Mexiko oder den Philippinen kämen nicht in Regionen mit einem hohen AfD-Anteil und alltäglichen Rassismus, weshalb Werneke von einer „Negativspirale“ spricht.

Der Industriegewerkschafter Vassiliadis diskutierte unter anderem mit einer Schülerin über das mögliche Scheitern der Transformation. „Junge Menschen fühlen sich nicht gehört, wir erleben viel Schein-Partizipation“, berichtete Louise Basner, Vorsitzende des Landesschülerrats in Niedersachsen. Auch habe sich nach den folgenlosen Fridays-for-Future-Demos Ernüchterung ausgebreitet, „weil wir nicht gehört wurden“.

Mehr als nur Haushaltsdebatten führen

Der Klimawandel sei nicht das einzige Thema, das die Jugend umtreibt, der Wohnungsmangel gehöre dazu und die Folgen der Coronajahre auch. „Die Themen sind sehr komplex, und dafür noch Raum in sich selber zu schaffen, ist schwierig, dafür braucht man Energie“, sagte Basner. Offenbar machten es sich viele junge Leute leicht und wählten die AfD.

„Transformation greift tief ein in das Leben der Menschen und gehört deshalb in einen gesellschaftlichen Diskurs und nicht allein in Haushaltsdebatten“, sagte Vassiliadis mit Blick auf die Ampel-Regierung und das Beharren auf der Schuldenbremse. „Wir müssen es anders machen.“

Ökologische, soziale und ökonomische Fragen müssten integriert und die Schuldenbremse für einen investiven Teil gelockert werden; „nur Verzicht, damit wird es nicht funktionieren“. Er vermisse im Übrigen eine Debatte darüber, „was wir bereit sind zu verlieren“, sagte der Gewerkschafter. Gut bezahlte Industriejobs zum Beispiel.

Chemieunternehmen investierten fast nur noch im Ausland aufgrund der hohen Kosten hierzulande. „Der Preis ist schlicht zu hoch für Strom, Wohnen und Mobilität“, sagte der Vorsitzende der IG BCE. Die Regierung habe zwar viel beschleunigt, und Hannah Steinfeld vom Umweltbundesamt erwähnte rund 20 verschieden Strategiefelder, die in den vergangenen Jahren bearbeitet wurden, von Sicherheits- und Fachkräftestrategien, bis zum Wasserstoff und der Wärmewende. Und doch: „Wir sind auf keinem guten Wege“, findet Vassiliadis.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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