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Wohnen, Verkehr, Bildung: Regierungsbericht zeigt große Unzufriedenheit

Wohnen, Verkehr, Bildung: Regierungsbericht zeigt große Unzufriedenheit

© Gestaltung: Bettina Seuffert/Tagesspiegel/Fotos: freepik (2)

Exklusiv Wohnen, Verkehr, Bildung: Regierungsbericht zeigt große Unzufriedenheit

Wie leben die Menschen in unterschiedlichen Ecken der Republik? Ein großer Bericht der Bundesregierung liefert viele Einblicke – und deprimierende Zahlen.

Von

  • Lukas Kram

Wohnen, Verkehr, Bildung: Viele Menschen in Deutschland äußern Unzufriedenheit mit ihren persönlichen Lebensumständen. Das zeigen Daten aus dem ersten Gleichwertigkeitsbericht der Bundesregierung, der am Mittwoch im Kabinett beschlossen und danach vorgestellt werden soll. Der Bericht, der Unterschiede zwischen den Regionen sichtbar machen soll, lag dem Tagesspiegel vorab vor. Es wurden Menschen in allen 400 Landkreisen und kreisfreien Städten Deutschlands befragt.

Dem Bericht zufolge empfinden es mehr als acht von zehn Befragten als sehr oder eher schwierig, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Besonders schwierig ist die subjektiv empfundene Lage in Großstädten. Verkehrsanbindungen und Mobilitätsangebote werden im Bundesschnitt von lediglich 44 Prozent als gut beurteilt.

43Prozent der Befragten halten die Qualität der Schulen für gut

Auch das Gesundheitssystem wird nicht gut beurteilt: 41 Prozent der Befragten sagen, die gesundheitliche und pflegerische Versorgung habe sich in den vergangenen fünf Jahren verschlechtert. Nur 5 Prozent sehen eine Verbesserung. Besonders klar ist dieses Ergebnis in dünn besiedelten ländlichen Kreisen.

So sieht es aus bei Nahverkehr und Internet

Nur 43 Prozent der Befragten stimmen voll und ganz oder eher zu, dass die Qualität der Schulen gut ist. Für die Kitas und die Ganztagsangebote an Schulen liegt dieser Wert bei 39 Prozent. Bei jenen, die selbst minderjährige Kinder haben, liegt der letzte Wert zwar deutlich höher, aber auch nur bei 58 Prozent. Klar ist das Urteil in Sachen Platzangebot: Bundesweit sagt nur knapp ein Viertel der Menschen, dass es genügend Bildungs- und Betreuungsmöglichkeiten für Kinder bis unter drei Jahren gibt.

Die Hälfte der Befragten hält den öffentlichen Nahverkehr in der eigenen Heimat für ausreichend ausgebaut. 38 Prozent der Menschen sagen, sie würden durch Staus in ihrem Alltag behindert.

Zur Frage, ob schnelles Internet verfügbar ist, gibt es einen bundesweiten Mittelwert auf einer Zufriedenheitsskala von null bis zehn. Er liegt bei 5,9. Aber es gibt auch positive Daten: 57 Prozent der Befragten bewerten ihre Naherholungsgebiete als eher gut, 28 Prozent sogar als sehr gut. Besonders wichtig sind den Menschen eine gute Gesundheits- und Pflegeversorgung vor Ort, bezahlbares Wohnen, Sicherheit und ein guter Zustand von Natur und Umwelt.

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Kita-Kinder: Die Qualität der Betreuung sieht die Bevölkerung mit Skepsis.

© dpa/Axel Heimken

Trotz der Probleme sind die Menschen insgesamt positiv gestimmt. Laut dem Bericht sind fast zwei Drittel der Befragten mit ihrer derzeitigen Lebenssituation insgesamt eher oder ganz und gar zufrieden. In Ostdeutschland ist die Zufriedenheit im Schnitt etwas geringer als im Westen.

Etwa jeder Fünfte hat den Eindruck, „dass es sich in der eigenen Region schlechter lebt als in anderen Teilen Deutschlands.“ Dieser Eindruck ist in ostdeutschen Regionen am stärksten – aber auch in Westdeutschland gibt es vereinzelt Regionen mit einer eher negativ geprägten Einschätzung der eigenen Heimat. Umgekehrt sagen 28 Prozent der Befragten, in ihrer Heimat lebe es sich besser als anderswo.

Daten aus 400 Landkreisen

Für den Bericht wurden Daten zu vielem gesammelt, das die Lebensqualität beeinflusst: von der Luftqualität über die Zahl der Kita-Plätze bis zur wirtschaftlichen Stärke einer Region. 42 Indikatoren wurden gebildet, aufgeteilt auf die Bereiche „Wirtschaft“, „Gesellschaft“, „Infrastruktur & Daseinsvorsorge“ sowie „Klima & Umwelt“.

Diese Daten liegen jeweils heruntergebrochen auf die 400 Landkreise und kreisfreien Städte der Republik vor. Auch die Umfrage wurde in allen 400 Gebieten durchgeführt. So lassen sich subjektive Einschätzung und objektive Lage vergleichen und der Bericht ermöglicht ein neues, genaues Bild von der Lebensqualität in jeder Ecke der Republik. Der Bericht soll auch dabei helfen, öffentliches Geld künftig zielgenauer zu verteilen und das Fördersystem für strukturschwache Regionen zu evaluieren.

Die Botschaft, die die Bundesregierung mit der Veröffentlichung des Berichts verbindet, ist, dass sich die Lebensbedingungen und -chancen in den unterschiedlichen Regionen Deutschlands nicht auseinander entwickeln, sondern sich annähern. Die Bundesregierung zählt wie folgt: Es wurden 42 Indikatoren untersucht. Bei vier davon gibt es keine statistisch klare Entwicklung in die eine oder andere Richtung. Bei sieben Indikatoren hätten sich die regionalen Unterschiede im Vergleichszeitraum erhöht, bei 27 sei hingegen eine Annäherung zu beobachten.

Im Bericht sind allerdings mindestens sechs Indikatoren zu finden, die als Beispiel für Annäherung gezählt werden, bei denen im Textteil aber das Gegenteil steht. So heißt es beispielsweise über die Lebenserwartung: „Zwischen 2011 und 2020 haben sich die regionalen Unterschiede bei der Lebenserwartung noch weiter verstärkt.“ Entsprechend ist es bei den Indikatoren Geburtenrate, Straftaten, Arbeitslosigkeit von Menschen mit ausländischer Herkunft, Feinstaubbelastung und Stickstoffdioxidbelastung.

Dies sind zentrale Ergebnisse in den unterschiedlichen Bereichen:

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Genügend Geld in der Kasse? Eine Kassiererin im Supermarkt.

© picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte

1 Wirtschaft

  • Beim Bruttoinlandsprodukt je erwerbstätiger Person ist die Spannweite enorm: In Wolfsburg als kreisfreier Stadt, in der VW ansässig ist, liegt der Wert bei 153.538 Euro. Am anderen Ende der Skala, im Erzgebirgskreis, liegt er hingegen nur bei 56.698 Euro. Allerdings: In dünn besiedelten Kreisen ist dieser Wert von 2012 bis 2021 deutlich stärker gestiegen als in anderen Gegenden. Das zeigt, dass die ländlichen Regionen aufholen. „Bei der wirtschaftlichen Kohäsion der Regionen in Deutschland konnten wichtige Fortschritte erzielt werden“, heißt es im Bericht.
  • Beim kommunalen Steueraufkommen je Einwohnerin oder Einwohner ist die Diskrepanz zwischen wohlhabenden und armen Regionen noch einmal deutlich größer. Vorn liegt Mainz (3.872 Euro), wo das Biotechnologie-Unternehmen Biontech seinen Sitz hat. Auf dem letzten Platz liegt Mansfeld-Südharz (656 Euro). Doch auch hier ist zu verzeichnen, dass die ärmeren Regionen aufholen und die Unterschiede kleiner werden.
  • Deutliche regionale Unterschiede gibt es bei der Arbeitslosigkeit: In Süddeutschland herrscht vielerorts Vollbeschäftigung. Ganz anders sieht es in den ostdeutschen Flächenkreisen, vor allem aber im Ruhrgebiet und in Bremen aus. Doch auch hier wird im Bericht ein „klarer Konvergenzprozess“ festgestellt: Demnach ist die Arbeitslosigkeit in den Kreisen mit den höchsten Quoten zwischen 2013 und 2022 im Schnitt um 26,3 Prozent zurückgegangen. In den Kreisen, wo die Arbeitslosigkeit ohnehin schon besonders niedrig war, liegt der Rückgang hingegen nur bei 12,4 Prozent.
  • Anders sieht es beim Thema Fachkräfte aus: Ihr Anteil an den Erwerbstätigen ist vor allem dort besonders stark zurückgegangen, wo ohnehin schon weniger Fachkräfte beschäftigt waren. Hier haben sich die Unterschiede zwischen den Regionen also vergrößert.
  • Der Bericht trifft auch eine Aussage zum bereinigten Gender Pay Gap. Für diesen Indikator wird herausgerechnet, dass Frauen häufiger schlecht bezahlte Berufe ausüben, häufiger in Teilzeit arbeiten und seltener Führungspositionen haben als Männer. Auch dann noch wurden, so die Ergebnisse, „überall in Deutschland – auch in allen ostdeutschen Regionen – Männer besser entlohnt als Frauen“. Im Osten ist der Abstand allerdings sehr viel kleiner als im Westen, und zwar dort vor allem auf dem Land. In ländlichen Regionen gibt es kaum eine Veränderung, in städtisch geprägten Regionen schrumpft der Gender Pay Gap hingegen.
  • Zwischen 2013 und 2022 sind die Baulandpreise in vielen Regionen gestiegen, und die regionalen Unterschiede haben dabei zugenommen. Hier nähern sich die Lebensverhältnisse also nicht an. Im Bericht heißt es: „Am stärksten war die Zunahme bei den zehn Prozent der Kreise und kreisfreien Städte, die bereits 2013 die höchsten Preise verzeichnet hatten (+163 Prozent). In den Kreisen mit den geringsten Baulandpreisen war der Anstieg mit +59 Prozent zwar ebenfalls hoch, fiel aber deutlich geringer aus.“

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Zusammen stark: Immer mehr Väter nutzen das Elterngeld.

© dpa/Annette Riedl

2 Gesellschaft

  • „Regional sehr differenziert“ ist das Bild dem Bericht zufolge in Sachen Bevölkerungsentwicklung. Viele ostdeutsche Kreise – größere Städte ausgenommen – seien mit sehr starken Rückgängen bei der Bevölkerungsentwicklung konfrontiert. Die Herausforderungen „für eine räumlich ausgewogene wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung“ würden auch in Zukunft groß bleiben.
  • Der Bericht hält den positiven Effekt von Zuwanderung fest: „Die Zuwanderung wirkt auf alle Kreise Deutschlands als stabilisierender Faktor für die Bevölkerungszahl.“
  • Bei der Frage, wie viele alte Menschen in einer Region leben, haben die Unterschiede zugenommen. „Insbesondere im Osten Deutschlands ist der Altenquotient besonders hoch, mit Ausnahme der Metropolregion Berlin“, heißt es im Bericht. Auch der ohnehin bestehende Stadt-Land-Unterschied bei der Zahl der Ein-Personen-Haushalte hat sich weiter verstärkt. Zudem heißt es im Bericht: „Zwischen 2011 und 2020 haben sich die regionalen Unterschiede bei der Lebenserwartung noch weiter verstärkt.“ Die Lebenserwartung ist im Westen höher als im Osten sowie, weniger stark ausgeprägt, im Süden höher als im Norden.
  • Die Zahl der Straftaten ist im Untersuchungszeitraum zurückgegangen, allerdings haben sich auch hier die regionalen Unterschiede leicht vergrößert. Denn in den Regionen, wo es viele Straftaten gibt, war der Rückgang vergleichsweise gering.
  • Die Daten zeigen: Immer mehr Väter nehmen das Elterngeld in Anspruch. Der Mittelwert der Regionen lag im Jahr 2011 noch bei 27,7 Prozent, im Jahr 2020 hingegen schon bei 43,8 Prozent aller Väter. Der Unterschied zwischen den Regionen schrumpft. Ebenfalls interessant: „Zwischen ländlichen und städtischen Räumen sind keine merklichen Unterschiede festzustellen.“
  • Eine ebenso interessante Entwicklung gibt es bei der Arbeitslosenquote von Ausländern: Zwischen 2013 und 2022 ist diese in dünn besiedelten Kreisen „stark gestiegen“, in Großstädten hingegen hat sie sich „klar verringert“. Auch insgesamt haben sich die regionalen Unterschiede vergrößert.
  • Bei der Frage, wie viele Menschen auf staatliche Grundsicherung angewiesen sind, haben sich die Unterschiede zwischen den Regionen etwas reduziert. Es bleibt aber ein Nord-Süd-Gefälle mit niedrigen Werten im prosperierenden Süden.

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Hoffentlich gut versorgt: Eine Krankenpflegerin schiebt ein Krankenbett durch einen Krankenhausflur.

© dpa/Marijan Murat

3 Infrastruktur & Daseinsvorsorge

  • Die Frage, wie gut Schulen erreichbar sind, wird im Bericht in Auto-Fahrminuten in Entfernung vom Wohnort gemessen. In Großstädten sind das im Schnitt 3,1 Minuten Fahrtzeit, in dünn besiedelten Regionen aber auch nur 7,2 Minuten.
  • Bei der Frage, wie gut Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen erreichbar sind, zeigen sich laut Bericht „deutliche Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Kreisen“. Auch gibt es in städtischen Kreisen deutlich mehr Hausärzte.
  • Bei der Versorgung mit Kita-Plätzen nähern sich die Regionen ein wenig an, die regionalen Unterschiede sind aber immer noch groß. Es zeigt sich ein ganz klarer Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland, insbesondere bei der Betreuungsquote der Unter-3-Jährigen, aber auch bei den etwas älteren Kindern bis zum Schuleintritt. Der Vorsprung des Ostens bei der Zahl der betreuten Kinder ist immens.

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Nicht gut für die Luft: Fahrzeugkolonne auf einer Autobahn.

© dpa/Jens Büttner

4 Klima & Umwelt

  • Die Belastung der Luft mit Stickstoffdioxid sei überall in Deutschland zurückgegangen, heißt es im Bericht. Demnach haben sich aber „die regionalen Unterschiede – ähnlich wie bei der Feinstaubbelastung – zwischen 2013 und 2022 vergrößert“. In den Ballungsgebieten sind die Werte besonders hoch.
  • Auch bei der Wohngebäudedichte haben sich die Unterschiede vergrößert: Sie ist zwischen 2013 und 2022 bundesweit durchschnittlich gestiegen – „allerdings stärker in ohnehin schon dicht besiedelten Gebieten“.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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