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Brennende Herzen: Der Schweizer Songwriter Faber und sein Album „Addio“

Brennende Herzen: Der Schweizer Songwriter Faber und sein Album „Addio“

© Justus von Karger

Brennende Herzen: Der Schweizer Songwriter Faber und sein Album „Addio“

In der Vergangenheit stand er für derbe Worte und Grenzüberschreitungen. Auf seinem vierten Album zeigt sich Faber zumindest ein kleines bisschen leiser.

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„Ich bin ganz allein. Ganz allein mit dem Gefühl, allein zu sein.“ Diese Zeilen singt Faber in „Du kriegst mich nicht zurück“. Später blickt der Sänger aus Zürich offenbar auf sein Mobiltelefon, fügt an: „Warum schreibst du nicht zurück? Ich hab’ gesehen, da sind zwei Haken“. Dazu poltert das Klavier, klappert ein nervöser Beat, schwelgen Streicher und singt, nein greint ein Chor, der so klingt, als stünde er auf dem Deck eines Schiffes, das kurz davor ist, unterzugehen.

Faber zog mit seinen bisherigen drei Studioalben eine Schneise der Verwüstung durch den deutschsprachigen Pop. Er rüpelte, schimpfte, beleidigte. Sexistisch, so sagten Kritiker:innen, seien Lieder wie „Wem du’s heute kannst besorgen“, in dem er „Sechzehn“ auf „Sexszenen“ reimte und Zeilen wie „Zieh dich aus, kleine Maus“ sang.

Den Text seines Songs „Das Boot ist voll“ veränderte er 2020 kurz nach Veröffentlichung: Die Worte „Geh auf die Knie, wenn ich dir meinen Schwanz zeig. Nimm ihn in den Volksmund, blond, blöd, blau, rein.“ wurden von der Kritik nur mittelbegeistert aufgenommen.

Total klar: Faber schlüpfte in Rollen. Trotzdem wurde die ständige Provokation, das andauernde Poltern zu einem seiner Merkmale. Gut möglich, dass das vor allem ihn selbst ermüdete. Jetzt also ein Album, das das Ego ein paar Kubikmeter kleiner angelegt hat und sich in Gefühlen suhlt. Sexualitäten verhandelt Faber jetzt aus der Perspektive eines Mannes, der erkennt, dass das alles mit den Frauen wohl so schnell nichts mehr wird. Manchmal mutet das waidwund an, aber meist bekommt er textlich die Kurve.

So ist in eingangs erwähntem „Du kriegst mich nicht zurück“ auch vom „Strick für alle Fälle“ die Rede. Das folgende „Sie ist wieder in der Stadt“ berichtet aus dem emotionalen Purgatorium, erzählt zu Balkan-Beats und nicht ohne verschwitzte Paranoia von allerhand Beklemmungen. Und in „Ayurveda“ fleht Faber laut „Bitte hol mich raus!“

Die gute Nachricht: Auch der traurige Faber ist noch ein Querschläger, der verlässlich seine Schimpftiraden ablässt. Auch auf diesem Album wird so unchiffriert geliebt, getindert, gefickt wie sonst nur im Deutschrap. Und: Auch der traurige Faber schreibt immer noch Melodien, die nach zwei Flaschen Rotwein so verständlich wie textlich mitskandierbar sind.

Siebenstelliger Bodycount

Etwa in „Leon“: „Nur im Sternzeichen Jungfrau, denn mein Bodycount ist siebenstellig“ heißt es hier. Auch der Chor ist wieder dabei, illustriert die völlig verzweifelten Manifestierungen des Sängers mit einem hysterischen „Halleluja.“

Es braucht eine gewisse Distanz, um diese Musik hören zu können. Und Faber ist ein Meister darin, diese Distanz auszulöschen. Songs wie „Ihr habt meinen Segen Pt. 2“ rücken mit ihren realistischen Alltagsschilderungen doch sehr nah an einen ran. Doch Faber ist klug: Er dosiert das Drastische, gibt dem Album immer wieder kleine Pausen mit. Die Instrumentierung unterstützt das, das Gassenhauerhafte wird aufgebrochen, vor allem in der zweiten Hälfte des Albums. Der Mix aus Folk, aus Rock, aus Chanson ist offen angelegt, schlägt Haken hin zu dezenter Elektronik, aber auch zu liturgischen Gesängen.

Bisweilen wechselt Faber ins Italienische, die Sprache seines Vaters, des italienischen Cantautores Pippo Pollina. Den wiederum hören wir im abschließenden „Pirdutu cori“, wo Faber selbst auf Schweizerdeutsch singt. Dass das eine Sprache ist, die ihm steht, weiß man spätestens seit dem hervorragenden Album „Ich liebe dich“, das er 2020 gemeinsam mit Sophie Hunger und Dino Brandão veröffentlichte. An der Seite des Vaters leidet er noch einmal formvollendeter: „Kei Träne chas lösche. Mis Herz brennt liechterlo“ singt er. Man glaubt es ihm sofort.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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