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Denkmal in Prenzlauer Berg: Eine stumme Klingel spricht Bände

Denkmal in Prenzlauer Berg: Eine stumme Klingel spricht Bände

© Nancy Gossels

Denkmal in Prenzlauer Berg: Eine stumme Klingel spricht Bände

In der Käthe-Niederkirchner-Straße macht ein Hauseingang das jüdische Berlin so sichtbar wie kaum ein anderer Ort. Ein Besuch.

Eine Kolumne von

Ich habe einen Termin in Prenzlauer Berg und beschließe, auf dem Rückweg die Käthe-Niederkirchner-Straße abzuspazieren. Mein Ziel ist die Hausnummer 35. Hier wurde 2019 die „Stille Klingeltafel“ eingeweiht (Foto). Ich kenne das Denkmal durch meine Arbeit, habe Bilder gesehen, kenne die Website, aber war noch nie vor Ort.

Weil eine Arbeits-Mail auf meinem Display erscheint, die meine Aufmerksamkeit auf sich zieht, wäre ich fast vorbeigelaufen. Es ist das reflektierende Messing, das sich quasi in meinem Augenwinkel verfängt und meinen Blick vom Smartphone löst.

40 stille Klingeln erinnern an die jüdischen Bewohner*innen, die hier einst gewohnt haben. Erinnern daran, wer hier zu Hause war. Die unscheinbare, gewöhnliche Klingelanlage der heutigen Bewohner*innen des Hauses scheint die glänzende goldene Klingeltafel genauso blass anzustarren wie ich.

Gefühl der Dissonanz

Als Jüdin in Berlin aufzuwachsen, bedeutet in Leerstellen, besser in Leer-Kluften aufzuwachsen. In einem Text für den Sammelband „Über jeden Verdacht erhaben“ habe ich es so beschrieben: „In Berlin aufwachsen ist wie im Theater der Fehlbesetzungen wandeln. Die Nicht-Mehr-Da’s werfen groteskes Licht auf die Besetzung der Gegenwart. […] [D]as vage Gefühl der Dissonanz zwischen dem, wie das Skript dieser Stadt geschrieben wurde, und dem deutschen Remake, in dem wir uns bewegen. Die Rollen der jüdischen Nachbar*innen wurden durch deutsche ersetzt.“

Im Hauseingang der Käthe-Niederkirchner-Straße 35 starrt sich diese Realität selbst ins Gesicht. Das schillernde Klingelbrett mit den Namen der jüdischen Bewohner*innen auf der einen Seite des Hauseingangs, die belanglose Klingelanlage, wie wir sie alle kennen, mit den Namen der aktuellen Bewohner*innen auf der anderen Seite. Es ist möglich, die „Stille Klingel“ für sich zu betrachten.

Aber ich bin Jüdin. Bei uns hat das „Dazwischen“ eine besondere Bedeutung. Deswegen hängen wir Mesusot in unsere Türen, deswegen drehen sich so viele Rituale um den Übergang vom einen ins andere. Es ist dieses Dazwischen, zwischen den beiden Klingeltableaus, die auf ihre jeweils eigene Weise nichts sagen – Schweigen, das in meinen Ohren dröhnt. Mahnt. Jüdisches Berlin sichtbarer macht, wie kaum ein anderer Ort.

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  • Schlamasseltov

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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