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„Einen Mord habe ich selbst ausgeführt“: Was ein vermummter Ex-Mafioso bei einer Lesung in Berlin sagte

„Einen Mord habe ich selbst ausgeführt“: Was ein vermummter Ex-Mafioso bei einer Lesung in Berlin sagte

© Pascal Bartosz/TPS

„Einen Mord habe ich selbst ausgeführt“: Was ein vermummter Ex-Mafioso bei einer Lesung in Berlin sagte

Der Anti-Mafia-Aktivist Sandro Mattioli stellt sein neues Buch vor – und schaltet einen maskierten Kronzeugen aus der italienischen ‘Ndrangheta zu.

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Gerade berichtet Sandro Mattioli den Gästen seiner Lesung am Gendarmenmarkt davon, wie er vor Jahren das erste Mal auf Luigi Bonaventura, den Mafia-Aussteiger trifft. Und dann schaltet sich der Kronzeuge von einem unbekannten Ort aus nach Berlin zu: Bonaventura erscheint in einem Video-Call auf der Leinwand und begrüßt das Publikum.

Der Mafia-Aussteiger, der gegen die ‘Ndrangheta aussagte, ist vermummt. Wie immer, wenn er sich öffentlich zeigt. Zuletzt haben ihn seine einstigen Komplizen vor vielen Jahren gesehen.

„Mein Gesicht hat sich über die Zeit natürlich verändert, ich will nicht, dass man sich ein neues Bild von mir machen kann“, sagt Bonaventura. Immer noch sei er in Gefahr, suchten Mafiosi nach ihm. Wenn er sein gealtertes Äußeres schütze, ist sich ein möglicher Attentäter vielleicht nicht sicher, ob er nach all den Jahren tatsächlich Bonaventura vor sich hat: „Und das kann mir die entscheidende Sekunde geben.“

Bonaventura spricht am Donnerstagabend über eine Videoleinwand zu dem Publikum einer Lesung in Berlin. Der Journalist und Anti-Mafia-Aktivist Sandro Mattioli stellt sein neues Buch „Germafia – Wie die Mafia Deutschland übernimmt“ vor. Es geht also um die kriminellen, aus Italien stammenden Netzwerke, die meist als „Mafia“ zusammengefasst werden.

Strategisch und arbeitsteilig

Mattioli hält gerade Bonaventuras alte Struktur – die ‘Ndrangheta – für gelehrig. Deren Angehörige stammen aus dem süditalienischen Kalabrien, haben sich als strategisches, arbeitsteiliges Netzwerk aber an die gesellschaftlichen Strukturen überall in Europa angepasst.

Bonaventura, 1971 geboren, wächst in Kalabrien auf – und wie viele Männer seiner Region und Zeit in einer Kultur der Mafia. Bonaventura steigt zu einem ‘Ndrangheta-Boss auf, führt einen eigenen Clan, leitet Untergebene im Drogen- und Waffenhandel an. Offiziell betreibt er unter anderem eine Eventagentur.

„Einen Mord habe ich selbst ausgeführt“: Was ein vermummter Ex-Mafioso bei einer Lesung in Berlin sagte

Eine Razzia gegen mutmaßliche Mafiosi im Mai 2023 in Nordrhein-Westfalen.

© dpa/Alex Talash

Ein Zuhörer will wissen, wie oft Bonaventura getötet habe. „Einen Mord habe ich selbst ausgeführt, vier weitere in Auftrag gegeben.“

Nach Jahren trifft Bonaventura, inzwischen zweifacher Vater, eine Entscheidung: Er bricht mit seiner Großfamilie, seiner Heimatregion, der mafiösen Kultur. Mit Frau und Kindern wendet er sich an die Behörden. „Vor 17 Jahren wurde ich Kronzeuge“, sagt der Vermummte auf der Leinwand. „Mich haben 16 Staatsanwaltschaften vernommen, darunter auch aus Deutschland, erst vor einigen Tagen wieder.“

Neue Identität, ferner Wohnort?

Kronzeugen kommen aus dem Inneren krimineller Vereinigungen und sagen gegen ihre früheren Komplizen aus. Meist geschieht dies für einen Strafrabatt für ihren eigenen Tatbeitrag. Bonaventura saß fünf Jahre in Haft.

Dass alle Kronzeugen sofort mit neuer Identität, fernem Wohnort und passendem Job ausgestattet würden, stimme so aber nicht: Seit 17 Jahren belaste er schon die ‘Ndrangheta, sagt Bonaventura, und habe immer noch keine Dokumente zu einer neuen Identität erhalten, mit denen er sich überall frei bewegen könne. Die Region, in der er lebe, dürfe er bislang legal nicht verlassen.

In den letzten Jahren verrichtet Bonaventura kleinere Jobs, berät auch Filmproduktionen zu Mafia-Themen. Ein vorstellbares Ziel: Sich im Ausland niederlassen, dort in der Gastronomie arbeiten. Bonaventura will, dass sich die Rechte der Kronzeugen in Italien verbessern.

Das Abhören und die Observationen störten die Mafiosi jedenfalls kaum, gravierender seien die Aussteiger. In den mächtigen Familien würden diese „Pentiti” – Reuigen – gefürchtet, weil sie mit der „Omertà” – dem Gesetz des Schweigens – brechen.

Sein Rat an Deutschland? Sich trotz aller Mängel an den in Italien bestehenden Anti-Mafia-Gesetzen zu orientieren. Stellt ein italienisches Gericht fest, jemand gehöre zur Mafia, droht auch dann Haft, wenn dem Betreffenden keine konkrete Tat nachgewiesen wird. Zwar ist die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung auch hierzulande strafbar, Urteile bezüglich der ‘Ndrangheta aber sind selten. Anders als in Italien fehlt in Deutschland zudem die volle Beweislastumkehr, niemand muss also erklären, woher sein Geld stammt.

In früheren Interviews bezeichnete sich Bonaventura als „Kindersoldat“, berichtete davon, dass er schon als Junge zu Übungszwecken schoss, als Heranwachsender dann tötete. In der kalabrischen Mafia verstehe man sich nicht per se als Untergrundverschwörer, sondern als Teil einer bewahrenswerten Tradition. Er selbst habe seinen Kindern ein anderes, ein freieres Leben ermöglichen wollen.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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