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Gentrifizierung in Berlin: Ein Gewerbemietspiegel muss her

Gentrifizierung in Berlin: Ein Gewerbemietspiegel muss her

© Dorothe Nolte

Gentrifizierung in Berlin: Ein Gewerbemietspiegel muss her

Der akutuelle Streit um die Mendelssohn-Remise ist mehr als eine Kulturfrage. Er zeigt auch, dass das deutsche Gewerbemietenrecht fatal konstruriert ist.

Gentrifizierung in Berlin: Ein Gewerbemietspiegel muss her

Ein Kommentar von Nikolaus Bernau

Die Mendelssohn-Remise in der Jägerstraße ist kein Hotspot des Berlin-Tourismus. Sie dient mit ihren etwa 10.000 Besucherinnen und Besuchern im Jahr vor allem der Selbstvergewisserung unserer Stadt: Wir waren mal was, wir können auch wieder was werden, aus der hier mit Ausstellungen über die christlich-jüdische Familie Mendelssohn und ihre vielen Seitenzweige, mit Konzerten, gepflegten Debatten und Vorträgen beschworenen bürgerlichen Tradition heraus. Und genau deswegen ist diese kleine Institution gesellschafts- und kulturpolitisch auch so wichtig.

Jetzt aber will – der Tagesspiegel, der Mendelssohn Stiftung seit langem eng verbunden, berichtete – der Vermieter entweder 40 Prozent mehr Miete haben oder den Vertrag, der ihm faktisch jederzeit die Kündigung möglich macht. Womit jede Programmplanung unmöglich würde.

Es ist ruchlos. Aber alles andere als eine Ausnahme. Das Werkbundarchiv musste seine Räume in der Oranienstraße wegen vergleichbarer Raffgier räumen, Künstler verlieren deswegen ihre Ateliers, Musiker ihre Probenräume, Clubs schließen, gerade beginnen die letzten Tage des legendären Café Berio am Nollendorfplatz.

Bevor aber jetzt wieder einmal Staatshilfen gefordert werden, muss erst einmal anerkannt werden: Auch hier dreht es sich nicht um den normalen Wandel, in dem sich das Bessere gegen das Gute durchsetzt. Hier sollen atemberaubende Renditeerwartungen der Hauseigentümer durchgesetzt werden, die sich auf das fatale deutsche Gewerbemietenrecht stützen.

Minimalmittel gegen Wucher

Das erlaubt nämlich im Grundsatz die freie Aushandlung der Verträge – wobei „freie“ Aushandlung in dicht bebauten, also nicht mehr erweiterbaren Innenstadtlagen oder an historischen Orten genauso fiktiv ist wie der rein theoretische Wucherparagraf. Er wird kaum je aktiviert, weil die Verträge der Nachbarn vertraulich sind.

Genau deswegen wird seit Jahrzehnten als Minimalmittel gegen solchen Wucher ein Gewerbemietspiegel gefordert. Auch Hausbesitzer profitieren schließlich immens von gesellschaftlichen Leistungen wie der Demokratie, dem Rechtsstaat, Straßen- und Leitungsbau oder der Stadtplanung. Jede Grünanlage, jeder nette Platz erhöht den Wert ihrer Immobilie – ohne dass sie auch nur irgendetwas dafür tun.

Bei Wohnungsmieten akzeptieren sie deswegen auch murrend den Mietspiegel als Vergleichsinstrument. Bei Gewerbemieten wird er aber radikal abgelehnt. Sicher, der Gewerbemietspiegel wäre auch nur ein Notbehelf. Aber vielleicht brächte er wenigstens ein bisschen Ruhe in einen Markt, der seit dem Börsencrash 2008 hysterisch aufgeheizt ist und damit die Lebenskraft der Innenstädte bedroht.

Denn ohne Kultur, ohne kleine Institutionen sind sie nicht lebenswert. Was nicht zuletzt, Stichwort Zersiedlung, klimapolitisch fatal ist.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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