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Grünen-Abgeordnete wechselt zur CDU: Ein Coup mit Geschmäckle

Grünen-Abgeordnete wechselt zur CDU: Ein Coup mit Geschmäckle

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Grünen-Abgeordnete wechselt zur CDU: Ein Coup mit Geschmäckle

Der Wechsel der Abgeordneten Melis Sekmen zur CDU verärgert ihre Ex-Kollegen, manche Grüne sind sogar verbittert. Bei der Union feiert man dagegen einen Coup. Wie konnte es so weit kommen?

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Ihren neuen Weg im Bundestag findet Melis Sekmen ohne Probleme. Als sie aus dem Aufzug im dritten Stock steigt, bleibt sie kurz stehen, lächelt in Richtung der vielen Kameras und geht dann nicht in den Raum neben der grünen, sondern neben der magentafarbenen Aufstellwand.

Unionsfraktion statt Grünen-Fraktion. Ein paar Meter weiter spricht in diesem Moment CDU-Chef Friedrich Merz vor der Presse über Sekmen: „Sie wird für unsere Bundestagsfraktion eine Bereicherung sein.“

Bis Montagabend war Melis Sekmen selbst vielen politischen Beobachtern eine Unbekannte. Als Obfrau der Grünen im Wirtschaftsausschuss war sie kaum aufgefallen, doch mit ihrem Wechsel von den Grünen zur CDU hat die 30-jährige Abgeordnete aus Mannheim für Schlagzeilen gesorgt.

Politik muss den Mut haben, unbequeme Realitäten zu benennen, auch, wenn es nicht in die eigene politische Erzählung passt.

Melis Sekmen, abtrünnige Grünen-Abgeordnete

„Meine Vorstellungen darüber, wie und in welchem Stil Politik gemacht wird, hat sich weiterentwickelt“, begründete sie in einem Brief an ihren Kreisverband ihre Entscheidung. Darin deutete sie auch Meinungsverschiedenheiten mit den Grünen an: „Politik muss den Mut haben, unbequeme Realitäten zu benennen, auch, wenn es nicht in die eigene politische Erzählung passt“, schrieb Sekmen.

Für die Union ist es ein Coup. Es sei eine „erfreuliche Nachricht“, sagte Merz am Dienstag vor der Fraktionssitzung, bei der auch Sekmen als Gast teilnehmen darf. „Wir haben das in den letzten Wochen intensiv besprochen“, sagt Merz weiter. Sekmen solle Mitglied in der Fraktion werden und in einen „guten Ausschuss“ gebracht werden, versprach der CDU-Chef. Ob es darüber hinaus weitere Absprachen gibt, etwa über eine CDU-Aufstellung Sekmens im Wahlkreis Mannheim, sagte er nichts.

Manche Grüne sind verbittert

Damit erklärt man sich zumindest bei den Grünen hinter vorgehaltener Hand den Wechsel. Angesichts der schwachen Umfragen dürfte es für viele Abgeordnete eng werden mit einer erneuten Wahl. Sekmen habe ihren Job vernachlässigt, heißt es säuerlich aus der Fraktion. „Nun hat sie offenbar Angst, nicht mehr aufgestellt zu werden.“

In der Grünen-Fraktion herrscht am Tag danach teils Verbitterung. Dort wurde man von Sekmens Schritt kalt überrascht. Erst als die Nachricht am Abend öffentlich durchsickerte, informierte die 30-Jährige die Fraktionsspitze. Noch am Abend wird die Mannheimerin eilig aus Chat-Gruppen geworfen.

Reisende kann man nicht aufhalten.

Britta Haßelmann, Fraktionschefin Grüne

„Reisende kann man nicht aufhalten“, kommentiert Fraktionschefin Britta Haßelmann den Abgang. Sie bedaure diesen Schritt, man könne es aber nicht ändern und werde nun die Ausschüsse neu besetzen. Ob sie das Mandat zurückgeben müsse, darauf will sich Haßelmann nicht äußern. Das müsse Sekmen für sich klären. Ein Nachtreten unterdrückt sich Haßelmann an diesem Tag. „Ich halte nichts davon, eine solche Diskussion öffentlich auszuführen.“

Doch es hat Anzeichen für Sekmens Schritt gegeben. Als die FDP im April einen Zwölf-Punkte-Plan zur Wirtschaftswende veröffentlichte, unterstüzte Sekmen Teile davon öffentlich. In der Fraktion habe es daraufhin Streit gegeben.

Auch in der Migrationspolitik scheint Sekmen schon länger mit dem Kurs ihrer Partei zu fremdeln. Zuletzt klatschte sie als einzige Grüne bei der Rede von Friedrich Merz zum Kampf gegen Islamismus und der Migrationspolitik. Wer wollte, konnte den Bruch schon damals erkennen.

Trotzdem reagiert auch Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann überrascht. Er sei nicht vorgewarnt geworden. „Ich war über diese Begründung etwas verwundert. Das ist doch kein Grund, die Fraktion zu wechseln“, sagte Kretschmann. Der Schritt komme aus „heiterem Himmel“. Die CDU warnt er unverhohlen: „So jemanden würde ich mit etwas spitzen Fingern anfassen.“

In der Bundestagsfraktion herrscht am Dienstag schließlich so etwas wie Galgenhumor. Dort verschickt man sich eine alte Pressemitteilung der Grünen in Mannheim von 2017. Darin kommentiert Sekmen als Teil des Grünen-Fraktionsvorstand des Gemeinderats den Wechsel eines ihrer Kollegen zur CDU. „Dieser angekündigte Wechsel bestärkt leider den Eindruck derjenigen, die Politikern immer wieder unterstellen, ihr Engagement nur zu ihrem eigenen Vorteil zu nutzen“, wird Sekmen zitiert. Am Ende fordert sie ihren Ex-Kollegen auf, sein Mandat zurückzugeben.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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