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Industrie steht vor heißem Herbst: IG Metall will sieben Prozent mehr Geld

Industrie steht vor heißem Herbst: IG Metall will sieben Prozent mehr Geld

© imago images/Rupert Oberhäuser

Update Industrie steht vor heißem Herbst: IG Metall will sieben Prozent mehr Geld

Die Gewerkschaft legt die Lohnforderung für knapp vier Millionen Metaller vor. Arbeitgeber verweisen auf die Krise und möchten 2024 eine Nullrunde.

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„Wir haben nichts, wir geben nichts.“ Unter diesem Motto bereiten sich die Arbeitgeber auf die diesjährige Tarifauseinandersetzung mit der IG Metall vor. Die größte deutsche Gewerkschaft weist das Ansinnen der Arbeitgeber als „respektlos“ zurück und hat am Montag eine Forderung beschlossen, über die anschließend die regionalen Tarifkommissionen beraten. Sieben Prozent mehr Geld will die IG Metall und gleicht sich damit der IG Bergbau, Chemie, Energie an, die derzeit versucht, sieben Prozent für rund 600.000 Beschäftigte in der chemischen Industrie durchzusetzen.

Die Verhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie für knapp vier Millionen Mitarbeitende beginnen Mitte September. Die IG Metall darf ab Ende Oktober zum Streik aufrufen, sodass sich der Konflikt im November zuspitzen wird.

Die neue IG Metall-Vorsitzende Christiane Benner, seit vergangenen Herbst im Amt, erklärt die Tarifforderung mit den Ansprüchen der Beschäftigten. „An der Kasse im Supermarkt muss viel mehr gezahlt werden als vor zwei Jahren“, sagt Benner im Gespräch mit dem Tagesspiegel. „Es gibt eine riesige Erwartung an die Tarifparteien, auch an die IG Metall“, nach den enormen Preissteigerungen 2022 und 2023. Die Menschen machten sich zunehmend Sorgen um ihren Lebensstandard.

„Solidarität gewinnt“, lautet das diesjährige Motto der IG Metall, die für die Azubis eine Erhöhung der Vergütung um 170 Euro/Monat fordert. Damit möchte die Gewerkschaft Metallerberufe attraktiver machen. „Grundlage für uns sind die Realitäten in den Betrieben“, erläuterte Benner am Montag die Forderung. Zu den Realitäten gehörten die Erwartungen der Belegschaft ebenso wie die wirtschaftliche Situation des Unternehmens. „Die Forderung ist vernünftig und passt in die bewegte Zeit“, meinte Benner.

Harald Marquardt, Autozulieferer aus Baden-Württemberg und Verhandlungsführer der Arbeitgeber im Südwesten, hält das „deutliche Plus“ bei den Realeinkommen in den vergangenen zehn Jahren dagegen. Die Notwendigkeit eines weiteren Inflationsausgleichs sieht er deshalb in diesem Jahr nicht.

Das Verhalten der Arbeitgeber ist respektlos.

Christiane Benner, Vorsitzende der IG Metall

„Es gibt überhaupt nichts zu verteilen“, meint Marquardt. Schon eine Nullrunde wäre noch zu teuer für die Unternehmen, da die Produktivität aufgrund der schlecht ausgelasteten Kapazitäten rückläufig sei. Benner wiederum findet diese Ansage des Arbeitgebers „respektlos“ gegenüber den Mitarbeitenden, die nur mühsam ihren Lebensstandard halten könnten. Marquardt und andere Arbeitgeber würden den Industriestandort schlechtreden.

Eine IG-Metall-Umfrage mit 320.000 Teilnehmenden hatte kürzlich ergeben, dass die Metaller mehr Geld wollen; kürzere Arbeitszeiten respektive mehr freie Tage sind den Arbeitnehmern deutlich weniger wichtig als Geld. Die höchsten Entgelterwartungen haben die Beschäftigten in Berlin, Brandenburg und Sachsen, was die IG Metall mit den relativ geringen Einkommen in Ostdeutschland erklärt.

Uns bereitet vor allem Sorge, dass in den nächsten fünf Jahren fast jedes zweite Unternehmen seine Investitionen noch mehr in Richtung Ausland verschieben will.

Harald Marquardt, Verhandlungsführer der Arbeitgeber in Baden-Württemberg

Am anderen Ende der Skala äußerten die Arbeitnehmer im Südwesten die geringsten Erwartungen, weil im Autoland Baden-Württemberg die Kombination aus schwacher Konjunktur und Transformation in Richtung Elektromobilität besonders durchschlägt und die Angst um den Arbeitsplatz größer ist als anderswo.

„Uns bereitet vor allem Sorge, dass in den nächsten fünf Jahren fast jedes zweite Unternehmen seine Investitionen noch mehr in Richtung Ausland verschieben will“, resümierte der baden-württembergische Unternehmer und Verhandlungsführer Marquardt kürzlich die Ergebnisse einer Arbeitgeberbefragung in 200 Betrieben mit 235.000 Beschäftigten. Für knapp 80 Prozent der Unternehmen, die bereits im Ausland produzieren, seien die dortigen Standorte rentabler als die deutschen.

40 Prozent der Unternehmen in Baden-Württemberg müssten sich derzeit mit einer Umsatzrendite von weniger als zwei Prozent begnügen oder schrieben sogar Verluste, warnen die Arbeitgeber vor höheren Löhnen. Die IG Metall hält die bundesweite, durchschnittliche Bruttoumsatzrendite von zuletzt gut vier Prozent dagegen.

„Am häufigsten nennen die Firmen die hohen Arbeitskosten als besonders belastend für ihre Geschäftsentwicklung“, sagt Autozulieferer Marquardt. Dabei ist die Spannweite hoch: Bei den Autoherstellern machen die Arbeitskosten nur einen Anteil von gut zehn Prozent aus, bei Maschinenbauern kann die Quote auf bis zu 50 Prozent steigen.

Klagen und Warnungen der Arbeitgeber sind kurz vor der Tarifrunde allerorts zu hören. „Die Produktion unserer Branche liegt noch immer unter dem Niveau von 2017“, heißt es beim Verband der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg. Deshalb dürften die Arbeitskosten keinesfalls steigen. „Sonst verschärft sich die Lage weiter und Arbeitsplätze und Investitionen geraten in Gefahr.“

Im November 2022 hatten sich die Tarifparteien für die Metallindustrie zuletzt auf Entgelterhöhungen verständigt: Mitte 2023 stiegen die Tarifeinkommen um 5,2 und im Mai 2024 um weitere 3,3 Prozent. Dazu gab es die steuerfreie Inflationsprämie von 3000 Euro in zwei Stufen. Der Tarifvertrag ist gültig bis September.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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