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Merz auf dem CDU-Parteitag: Der nüchterne Staatsnotar

Merz auf dem CDU-Parteitag: Der nüchterne Staatsnotar

© IMAGO/Fotostand/IMAGO/Fotostand / Reuhl

Merz auf dem CDU-Parteitag: Der nüchterne Staatsnotar

Friedrich Merz will, wie es heißt, Kanzler werden. Das aber sagt er nicht und liefert dem eigenen Parteitag eine Rede der Belanglosigkeiten, unkonkret, teils ermüdend.

Merz auf dem CDU-Parteitag: Der nüchterne Staatsnotar

Ein Kommentar von Daniel Friedrich Sturm

Wer Friedrich Merz am Montagmittag auf dem CDU-Bundesparteitag sah und hörte, musste an eigenen Augen und Ohren zweifeln. Friedrich Merz, das war doch bisher stets der Mann, der sich pointiert und profiliert gibt, zuweilen polemisch, in jedem Fall kenntlich, markant. Der Mann, der den viel beschworenen „Klartext“ spricht, der keinen Konflikt scheut, zum Preis, anzuecken, notfalls zu verstören. Der Mann, der mit Verve für seine festen Überzeugungen, etwa Wirtschaftsliberalismus und transatlantische Partnerschaft, wirbt. Der Mann, der mit all diesen Charaktereigenschaften einen Kontrapunkt setzt zur CDU Angela Merkels, die doch am Ende nichts anderes wollte als nur die Macht, die sich in 16 Jahren in Regierungsverantwortung programmatisch entkernt und strategisch wundgescheuert hatte.

Und Merz? Der hielt am Montag im Estrel-Hotel in Berlin-Neukölln eine Rede, die in ihrer gesichts- und belanglosen Weitläufigkeit bestens zum Estrel-Komplex passte. „Deutschland kann es besser“, rief Merz den Delegierten zu, „Deutschland muss endlich wieder gut regiert werden.“ Wer wollte dem widersprechen? In weiten Teilen gab Merz korrekte Beschreibungen, Allgemeinplätze und ewige Wahrheiten zum Besten: Das Grundgesetz wird demnächst 75 Jahre alt. Ohne Freiheit kein Frieden. Wir können stolz sein auf unser Land.

Gewiss, kurz vor der Wiederwahl zum Parteichef teilte Merz gegen die Grünen und die SPD aus. Doch selbst das klang pflichtschuldig: Die Grünen, mit denen die CDU in den Ländern über 30 Millionen Bürger regiert, wollten, dass der Staat „in den Lebensalltag hinein alles regelt und reguliert“. Die Sozialdemokraten, mit denen die CDU jüngst zwölf Jahre lang Deutschland regierte, glaubten mehr an den Staat als an die einzelnen Menschen.

Erstaunlich, verstörend war, wie unkonkret der Friedrich Merz des Jahres 2024 blieb. Zwar touchierte Merz, wie sich die politischen und ökonomischen Machtzentren der Welt verschieben, wie sehr die Gefahr besteht, dass Deutschland zum Spielball anderer Staaten wird. Doch was bitte folgt daraus? Wie soll Deutschland mit China umgehen? Was muss geschehen, wenn Russland nicht nur die Ukraine bedroht, sondern auch Polen, Deutschland, den Westen? Ist er eigentlich für oder gegen eine neue Wehrpflicht?

Die Rede plätscherte schon eine Stunde dahin, als Merz erstmals die Begriffe Europa, Russland und China fallen ließ, auch hier ohne jede Konkretisierung. Die USA oder Joe Biden blieben unerwähnt. Bei Europa kombinierte Merz den Befund, „die EU steht nicht da, wo sie stehen sollte“, mit einem „Dank an Ursula von der Leyen“.

In einem nahm sich Merz die Ampel-Koalition zum Vorbild. Wie sie beschrieb er, was alles künftig wichtiger werde, etwa die Sicherheit, was mehr koste – ohne aber Sparvorschläge zu unterbreiten. In seinem Versuch, alle Parteiflügel hinter sich zu bringen, listete Merz von der CDU durchgesetzte Sozialleistungen auf, inklusive Elterngeld und – sieh an! – „den ersten Mindestlohn“. Die milliardenschwere CSU-Erfindung Mütterrente ließ er unerwähnt. Vor allem aber vermied Merz selbst jede Andeutung, wie das Rentensystem reformiert werden könnte. Der SPD gefällt das.

Während Merz das Wort „Leidenschaft“ öfter mal erwähnte, zeigte er eine solche Leidenschaft nur bei Konsens-Themen, etwa der Auseinandersetzung mit der AfD. Hier hätten auch ein SPD- oder Grünen-Parteitag applaudiert. In Anbetracht seiner politischen Biografie, seines bisherigen Stils, seiner gewohnten Rhetorik sprach Merz zaghaft, vorsichtig, geradezu sanft. Merz sprach ohne jeden Wortwitz, ohne jede Pointe, ohne auch nur ein Lächeln. Es wirkte, als habe Merz eine rhetorische Vollkaskoversicherung abliefern wollen. Nur keinen Fehler machen. Kein Wunder, dass das Publikum dieses risikolose Referat ohne Begeisterung, teilweise müde, verfolgte.

Merz will, dem Vernehmen nach, Kanzler werden. Er versuchte, die Partei hinter sich zu bringen. Doch das zweite Element, das ein Herausforderer mitbringen muss, fehlte: Hier rüttelte niemand rhetorisch am Zaun des Kanzleramts, hier sprach, mit weitgehend wohldosierten Worten, ein nüchterner Staatsnotar. Am Ende der zähen 75 Minuten drängte sich die Frage auf, was dieser Mann eigentlich werden will: vielleicht Bundespräsident?

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

3 Kommentare
  1. Franziska Müller sagt

    Als langjährige politische Beobachterin bin ich enttäuscht von Friedrich Merz‘ Auftritt auf dem CDU-Parteitag. Er wirkte uninspiriert und unkonzentriert, weit entfernt von seinem üblichen durchsetzungsstarken Auftreten. Es scheint, als fehle ihm der klare Kurs und die Überzeugungskraft, die nötig wären, um Kanzler zu werden.

  2. Frieda Müller sagt

    Warum hat Friedrich Merz eine so belanglose Rede gehalten, obwohl er angeblich Kanzler werden will? Klingt das nach einem überzeugenden Kandidaten?

  3. Daniela Friedrich sagt

    Friedrich Merz scheint auf dem CDU-Parteitag seine gewohnte Schärfe verloren zu haben. Seine Rede war unkonkret und ermüdend. Es fehlte an klaren Aussagen und konkreten Visionen. Hoffentlich findet er wieder zu seiner alten Überzeugungskraft zurück.

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