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Immer öfter „hitzefrei“: Die Schulen werden mit den Folgen des Klimawandels allein gelassen

Immer öfter „hitzefrei“: Die Schulen werden mit den Folgen des Klimawandels allein gelassen

© ZB/Sebastian Kahnert

Immer öfter „hitzefrei“: Die Schulen werden mit den Folgen des Klimawandels allein gelassen

Die Sommer werden heißer, immer öfter fällt der Unterricht aus – doch ein Konzept für klimatisierte Schulen fehlt. Das geht auf Kosten der Kinder.

Immer öfter „hitzefrei“: Die Schulen werden mit den Folgen des Klimawandels allein gelassen

Eine Kolumne von

Ich erinnere mich gut an dieses Gefühl, als ich ein Kind war: „Hitzefrei!“ Die große Freiheit nach der dritten Stunde. Damals scherte sich nicht wirklich jemand darum, wie die Eltern die plötzliche Frühbetreuung bewerkstelligen sollten.

Das immerhin ist heute anders. Meine beiden mittleren Jungs dürfen mit ein paar Klassenkameraden von 11.20 Uhr bis zum offiziellen Schulschluss in den heiß-stickigen Klassenräumen einer Brandenburger Grundschule ausharren – an ihrem Platz sitzend. Beaufsichtigt, aber ohne Unterricht. Es gibt noch einen weiteren Unterschied zu den 80er Jahren: Ich hatte drei, vier Tage im Jahr hitzefrei. Meine Kinder drei, vier Schulwochen hindurch.

Täuscht mich meine Erinnerung? Nicht wirklich. Der Deutsche Wetterdienst verzeichnete 1985 im Landesschnitt 2,6 heiße Tage mit Höchsttemperaturen von mindestens 30 Grad. 2015: 17,6. 2020: 11,4. Ja, es gab zwischendurch auch mal Ausreißer nach unten wie 2021: 4,5. Aber 2022 und 2023 waren es dann schon wieder 17,3 und 11,5. Das Klima ändert sich fundamental. Die Schulen nicht.

Klimatechnisch in der Eiszeit

Die Schulhöfe sind versiegelt wie eh und je, die Fenster lassen sich oft weder richtig öffnen noch verschatten, auch die Dämmung der Außenwände ist ungenügend. Selbst in Gebäuden, die erst vor wenigen Jahren errichtet wurden, sind ein modernes Temperaturmanagement oder gar eine aktive Kühlung die Ausnahme.

Das ist gesundheitspolitisch fragwürdig – und bildungspolitisch ebenso: Schon lange, bevor es „hitzefrei“ gibt, kämpfen Kinder und Lehrkräfte mit unzumutbaren Bedingungen. Und wenn dann an, sagen wir, 15 Schultagen je zwei Stunden ausfallen, entspricht das zusammengerechnet einer Woche Unterricht. Zusätzlich zu den Löchern im Stundenplan, die der Lehrermangel ohnehin schon reißt. „Hitzefrei klingt toll, funktioniert aber nicht mehr“, sagte der baden-württembergische Grundschulrektor Oliver Hintzen im „Spiegel“.

Die Vorschläge, die auf dem Tisch sind, zeugen von Hilflosigkeit und klammen Kassen. Kommunalpolitiker wie der Dresdner Schulbürgermeister Jan Donhauser (CDU) fordern eine Verlängerung der Sommerferien um zwei Wochen, die grüne Landtagsopposition in Sachsen-Anhalt die bundesweite Verschiebung nach hinten in den August und September.

Gewaltige Anpassungsmaßnahmen nötig

Abgesehen davon, dass solche Ideen im deutschen Bildungsföderalismus komplett unrealistisch sind, am Kernproblem würden sie rein gar nichts ändern. Am Ende fiele womöglich sogar noch mehr Unterricht aus. Nichts Anderes als „hitzefrei“ bedeutet auch die oft in Berlin angewandte Regelung, keine kompletten Unterrichtsstunden ausfallen zu lassen, sondern alle verkürzt zu unterrichten.

„Wir müssen dringend auch Schulen klimatisieren“, forderte Grundschulrektor Hintzen, der zugleich stellvertretender Landesvorsitzender der Fachgewerkschaft VBE ist. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) starteten unterdessen eine gemeinsame Online-Initiative für naturnahe und klimafreundliche Schulhöfe.

Doch hat die Ignoranz des Klimawandels durch die Bildungspolitik denselben Grund, weshalb die meisten Altenheime nicht klimatisiert sind: Die Energiekosten wären gewaltig, auch ein klimaangepasster Umbau würde Abermilliarden verschlucken, die wir als Gesellschaft offenbar nicht zu investieren bereit sind. Die KfW Bankengruppe taxiert den Investitionstau im Schulbau ohnehin schon auf 47,4 Milliarden Euro. Da tun wir lieber weiter so, als hätte Hitze in unseren Breiten Seltenheitswert, dem man mit schulischen Rezepten vergangener Zeiten beikommen kann.

„Im Büro schwitzen wir doch auch“, erscheint als Einwand ebenfalls wenig geeignet und schief: In immer mehr Büros werden Klimaanlagen installiert, anderswo geht man ins Homeoffice oder arbeitet an kühleren Tagen länger. Und: Wir reden von Kindern, nicht von Erwachsenen.

Für dieses Jahr ist die Hitze vorbei. Hoffentlich. Doch die Bildungspolitik muss Antworten finden auf das Thema Klimawandel. Dafür bräuchte es erstmal eine tragfähige Strategie. Nicht alle Antworten, siehe die DUH/DKHW-Kampagne, müssen unbezahlbar teuer sein. Vielleicht aber gibt es in besseren Zeiten dann auch das nötige Geld. Die Bildung unserer Kinder sollte der Gesellschaft etwas wert sein.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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